Klappentext
Michas Tante, die in St. Wolfgang einen kleinen Laden betreibt, erhält einen Erpresserbrief, der mit ›Der Rote Hahn‹ unterschrieben ist. Die Jungen übernehmen den Fall. Während Micha mit der Polizei Kontakt aufnimmt, stößt Max auf eine Gruppe von Tierschützern, deren Anführer ein großer Bursche in einem Hahnenkostüm ist. Max vermutet einen Zusammenhang mit der Erpressung und lässt sich anwerben. Gemeinsam treiben sie mit den Passanten grobe Späße, mit denen sie zeigen wollen, wie sich die geschundenen Tiere fühlen. Gelingt es Max, den Fall auf eigene Faust zu lösen oder hat Micha am Ende die Nase wieder vorn?
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Leseprobe: DER ROTE HAHN
AUSZUG AUS DEM ZWEITEN KAPITEL
Max begleitete seinen Freund noch bis zur
Nebenstraße, die zur Gendarmeriestation führt. Dann kehrte er um. Er hatte
Glück, obwohl es anfangs gar nicht so aussah. Vor der Gemeindeverwaltung hatte
sich auf der Straße inzwischen eine Menschengruppe gebildet, die einer
Darbietung zusah.
Als der Junge herantrat, stoben die Zuschauer
plötzlich mit großem Geschrei auseinander und machten einem riesigen Hahn Platz,
der ein Opfer für einen Angriff suchte. Max kam da gerade recht. Ehe er es sich
versah, stürzte sich das Tier auf ihn und hieb mit seinem großen Schnabel auf
Schulter, Rücken und Arme ein. Max hatte alle Hände voll zu tun, sich zu
schützen. Schließlich wurde ihm auch noch Spreu ins Gesicht geblasen, sodass er
nichts mehr sehen konnte.
Währenddessen rief eine Stimme von einem Tonband:
»So schlägt die Natur zurück!« Können wir der
geschundenen Kreatur verdenken, dass sie Rache an den Menschen nimmt?! Was heute
noch ein Spiel ist, kann morgen ernst werden. Schließen Sie sich unserem
Protest gegen Massentierhaltung und Tierversuche an und füllen sie unseren
Spendentopf! Bitte die ausliegende Liste unterschreiben!«
Der Sprecher verstummte, worauf der Hahn sich unter
dem Gelächter der Leute ein anderes Opfer suchte und das Ganze von vorne
begann.
Max versuchte wütend, sich von der Spreu zu befreien,
die überall an seinen Sachen hing. Auf einmal spürte er geschickte Hände auf
seinem Rücken, die ihn säuberten. Als er sich umsah, blickte er in ein paar
tiefblaue Augen, die ihn unter langen blonden Locken aus einem grünen Gesicht
anstrahlten.
»Entschuldige«, äußerte das seltsame Geschöpf mit
melodischer Stimme. »Er war wohl zu grob. Es stimmt schon. Der Rote Hahn
schießt gern mal übers Ziel hinaus.« Die Sprecherin war als Henne verkleidet,
hatte aber jetzt ihren Tierkopf zurückgeklappt.
Max war nicht nur über die verschmutzte Kleidung,
sondern auch über die Demütigung verärgert, die ihm widerfahren war. Er wollte
die Hilfe gerade harsch zurückweisen, als ihm aufging, wie der Anführer der
Chaostruppe genannt worden war. ROTER HAHN war doch der Name,
mit dem der Erpresser den Drohbrief an Tante Sofie unterzeichnet hatte. Und
hinter ihm verbarg sich ein Tierschützer, der auch vor radikalen Mitteln nicht
zurückschreckte, wie Max soeben am eigenen Leib verspürt hatte. Hier musste er
dranbleiben. Wenn er es richtig anstellte, konnte er eine Menge erfahren.
Er schluckte deshalb seinen Zorn hinunter. »Ich
kann euer Anliegen verstehen«, äußerte er gespielt sanftmütig und fügte dann
unvorsichtig hinzu. »Ich habe mich selbst schon für den Umweltschutz eingesetzt
und würde es sofort wieder tun.«
Die Henne strahlte. »Ja, wirklich? Das trifft sich
gut. Der Bursche, der den Stier spielen sollte, hat uns im Stich gelassen. Da
kommt deine Hilfe gerade recht.« Sie packte Max und zog ihn hinter eine
behelfsmäßige spanische Wand, die zum Umkleiden vor einem Campingbus
aufgestellt worden war. Sie bestand aus einer Stange auf zwei Ständern, über
die eine Decke gehängt worden war. Das gab den Anschein von Intimität, die
natürlich nicht gewährleistet war. Ohne viel Federlesen machte sich das Mädchen
daran, den Jungen von seinen Sachen zu befreien.
»Muss das sein?«, fragte Max widerstrebend. Er war
schon lange aus dem Alter heraus, in dem weibliche Hände ihm aus der Kleidung
helfen mussten.
Die Henne ließ sich in ihrem Werk
nicht stören. »Ja, sonst wird´s zu eng und zu heiß! … Mensch, zier dich nicht
so«, fuhr sie ihn schließlich an, als er sich weiterhin sträubte. »Ich habe
schon mal einen nackten Mann gesehen.«
Max gab seinen Widerstand auf. Er durfte nicht
zimperlich sein, wenn er Erfolg haben wollte. Mitmachen war genau die richtige
Methode, um das Vertrauen der Tierschützer zu gewinnen und in ihre Pläne
eingeweiht zu werden. Es wurde dann auch nicht so schlimm, wie er befürchtet
hatte. Er durfte seine Unterwäsche anbehalten. Mit vereinten Kräften gelang es
beiden, ihn in das enge Kostüm hineinzuzwängen, das für einen viel kleineren
Akteur bestimmt war. In der Zwischenzeit hatte ihm die Henne, die
Cynthia hieß, noch einmal den Sinn der Darbietung erläutert. Sie sollte
deutlich machen, dass es mit der Geduld und der Friedfertigkeit der Tiere bald
ein Ende haben werde, wenn die Menschen ihre Einstellung zu ihnen nicht
änderten.
Wenig später tapste Max mit geschwärztem Gesicht als
Stier umher und trieb seine Späße mit den Zuschauern, die sich dies lachend
gefallen ließen. Durch einen Spalt im Kopf konnte er seine Opfer auswählen. Mit
der Zeit begann ihm seine Rolle Spaß zu machen. Er tänzelte auf den
Hinterbeinen hin und her, als sei er ein Tanzbär. Ab und zu ließ er sich auf
seine Hände herab und griff das Publikum an. Das hatte jedes Mal den Erfolg,
dass die Zuschauer lachend und kreischend zurückwichen.
Es war fast wie bei einem Straßenfest in
Spanien, wenn der Stier auf die Straße gelassen wird und die Menschen vor sich
hertreibt. Max war stolz, dass er auch wie ein solcher brüllen konnte.
Inzwischen war noch ein Esel erschienen, der ihn unterstützte, aber mit seinen
schauspielerischen Talenten ihm nicht das Wasser reichen konnte.
Plötzlich sah Max unter der Menschenmenge Micha,
der seine Aufgabe wohl schon erledigt hatte. Er schaute belustigt dem grotesken
Treiben auf der Straße zu, nicht ahnend, dass sein Freund einer der
Hauptakteure war. Max wollte ihm auf die Sprünge helfen. Er posierte vor seinen
Augen und machte allerlei Kunststücke. Die Verkleidung war aber so gut, dass
Micha ihn nicht erkannte. Deshalb entschloss er sich, an seinem Freund einen
Spaß auszuprobieren, der den Höhepunkt der Vorführung bilden sollte. Er setzte
aber voraus, dass man an das Opfer nahe genug herankam. Dafür war Micha gerade
der Richtige. Er stand wie ein Fels in der Brandung, ohne das Hin- und
Herlaufen der anderen Zuschauer mitzumachen.
Max näherte sich seinem Ziel behutsam. Er trieb mal
hier und da seinen Spaß und änderte mehrfach die Richtung. Schließlich blieb er
- wie es schien ganz zufällig - vor seinem Freund stehen und rieb seinen
aufgesetzten Kopf an ihm. Als er die richtige Position erreicht hatte, hob er
das hintere Bein und löste damit einen Mechanismus aus. Ein Behälter entleerte
sich mit sanftem Strahl auf die Hose. Sie wurde nass und nässer, bis sie
durchweicht und triefend am Bein klebte. Ein schadenfrohes Gelächter erhob
sich, vom Klatschen und Gröhlen der Zuschauer begleitet.
Micha war von der Attacke völlig überrascht worden Er
begriff erst dann, was vor sich gegangen war, als er die Feuchtigkeit am Bein
spürte. Dann schaute er verblüfft auf den durchnässten Stoff herab. Die Ursache
dafür wurde ihm wohl erst nach und nach klar, als das Gelächter der Umstehenden
nicht abriss und sogar der Stier wiehernde Geräusche abgab. Schließlich wandte
er sich mit hochrotem Kopf um und bahnte sich einen Weg durch die brüllende und
johlende Menge, die einen Kreis um ihn gebildet hatte.
Max hatte inzwischen ein schlechtes Gewissen bekommen.
Wenn die Aktion darauf gerichtet gewesen war, Micha vor allen Augen lächerlich
zu machen, dann war sie voll geglückt. Na, da konnte er was erleben, wenn Micha
erfuhr, wer da seinen Spaß mit ihm getrieben hatte. Hoffentlich begegnete er
ihm heute nicht mehr.
Klaus Kurt Löffler:
Als studierter Jurist war ich zuletzt
als Vorsitzender Richter am Landgericht tätig. Nach meiner Pensionierung habe
ich während eines Aufenthalts in St. Wolfgang am Wolfgangsee mit dem Schreiben
von Jugendbüchern angefangen. Der Schauplatz und meine beruflichen Erfahrungen
wollten es, dass es Detektivgeschichten wurden, in denen die Landschaft eine
entscheidende Rolle spielt. Es steht bei mir aber nicht das Verbrechen, sondern
das hinter ihm stehende Rätsel im Vordergrund. Denn meine Junior- Detektive
lösen ihre Fälle mit Köpfchen.
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