Seltsame
Dinge geschehen im Hotel, als Clara mit den Großeltern in St. Wolfgang anreist.
Jemand will sich in Besitz der Puppe setzen, die sie auf dem Flughafen in
Kopenhagen geschenkt bekommen hat. Zum Glück findet Clara in Lotte und Karo
hilfsbereite Freundinnen und - unter Führung des »UGGIS«, eines kleinen
Stoff-Orang-Utan - setzen die drei sich zur Wehr. Auch Max und Micha
versuchen herauszufinden, wem die Puppe so wichtig ist, dass ihm jedes Mittel
Recht ist.
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Leseprobe
1. Das stumme Mädchen
»Mutter,
du wirst es nicht glauben: Im Speisesaal
sitzt ein stummes Mädchen mit einer Puppe.«
Die
siebenjährige Karo stürzte aufgeregt ins Hotelzimmer ihrer Eltern und
schüttelte ihr blondes Haar. Sie war zierlich gewachsen, schlank und immer in
Bewegung.
»Stumm
wie ein Fisch, der zu Abend gegessen werden soll«, bestätigte Lotte, ihre drei
Jahre ältere Schwester, die einen Kopf größer war und ihr blondes Haar zu
Zöpfen geflochten trug. »Und ihre Puppe gibt ebenfalls keinen Ton von sich«,
setzte sie spöttisch hinzu.
»Sie
sieht wie Wilhelmina aus«, ergänzte Karo. Wilhelmina war ihre eigene Puppe, die
sie natürlich in den Urlaub mitgenommen hatte.
Die
von Denkers - es gehörte noch der dreizehnjährige Max dazu - waren soeben im
›Landhaus am See zu Appesbach‹ in St. Wolfgang am Wolfgangsee angekommen. Sie
kannten das Hotel schon von ihrem Frühjahrs- und Sommeraufenthalt und waren
gern in das kinderfreundliche alte Herrenhaus zurückgekehrt, in dem der Herzog
von Windsor zwei Monate logierte, als er wegen seiner Heirat mit der
Amerikanerin Wallis Simpson auf den Thron des englischen Königs verzichten
musste.
Während
sich die Erwachsenen für das Abendessen fertig machten, hatten die beiden
Schwestern schon den Speisesaal im Erdgeschoss aufgesucht und berichteten jetzt
über ihre Beobachtungen.
»Wie
kommt ihr darauf ...?«, fragte Christina von Denker auf die Bemerkung ihrer
Töchter über das stumme Mädchen.
»Sie
hält die Lippen eng aufeinandergepresst«, erklärte Karo.
»...
als seien sie festgewachsen«, witzelte Lotte. »Vermutlich stopft sie auch das
Essen durch die Ohren hinein.«
Die
Mutter lachte. »Das ist wohl anatomisch nicht möglich. Wir werden es aber
gleich genauer wissen, wenn wir zum Abendessen hinuntergehen. - Bist du fertig,
Papa?«, fragte sie dann ihren Mann.
Der
warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. »Was fragst du?«, erwiderte er. »Ich
sterbe schon vor Hunger.«
»Halte
dich aber zurück, Schatz«, wurde er ermahnt. »Du weißt, was dir der Arzt aufs
dringendste angeraten hat.«
»Gewiss,
Liebling.« Kurt von Denker ließ ein schalkhaftes Lachen ertönen. »Wird
strengstens befolgt: Heute mache ich sogar gleich zwei Diäten: Von einer wird
man ja nicht satt.«
Im
Speisesaal war für die Neuankömmlinge ein Ecktisch reserviert, der im
Eingangsbereich hinter einem Tresen stand. Eine durchlaufende Wandbank sorgte
für eine Verbindung zu den Nachbartischen. Am nächsten saß das ›stumme
Mädchen‹, das interessiert mit großen Augen zu ihnen herüberschaute.
Lotte
und Karo nahmen auf der Bank Platz, während sich Christina von Denker auf den
Stuhl gegenüber setzte und ein Gespräch mit der Tischnachbarin anzuknüpfen
versuchte. »Die junge Dame neben dir könnte ein Zwilling unserer Wilhelmina
sein«, äußerte sie. »So heißt die Puppe meiner Tochter Karo.«
Die
›Stumme‹ blickte sie weiterhin an, antwortete aber nicht. Ihr war auch kein
Wort zu entlocken, als es auf andere Art versucht wurde.
»Vielleicht
versteht sie unsere Sprache nicht«, mutmaßte Kurt von Denker und probierte es
erfolglos mit Englisch und ein paar Brocken Italienisch und Spanisch, die von
Urlaubsreisen hängen geblieben waren. Enttäuscht gab er schließlich auf.
»Ich
sagte es ja, Papa«, bemerkte Karo. »Sie ist echt stumm.«
»Dagegen
ist ein Wellensittich ein Alleinunterhalter«, pflichtete Lotte spöttisch bei.
»Der zwitschert wenigstens ab und zu.«
»Besser
ohne Kopf, als gar keine persönliche Note«, kalauerte Vater. »Auch aus Steinen,
die im Wege liegen, kann man Gutes bauen.«
In
diesem Augenblick erschien eine weißhaarige Dame. Sie hatte die
Gesprächsbemühungen wohl mitbekommen. »Schön, dass ihr euch schon mit Clara
bekannt gemacht habt«, äußerte sie zu den Mädchen, während sie am Nachbartisch
Platz nahm.
»Wer
bist du?«, fragte Karo ohne Scheu, die immer alles genau wissen wollte. »Bist
du die Oma?«
»Ja«,
antwortete die Frau. »Ich heiße Uta Hansen. Clara ist mit mir und meinem Mann
hier im Urlaub. Wir würden uns freuen, wenn sie bei euch Anschluss fände.«
»Daraus
wird wohl nichts«, äußerte Lotte abfällig. »Bei der herrscht doch Totalausfall
auf allen Bereichen.«
»Ja«,
bestätigte Karo. »Der Sender ist echt kaputt.«
»Wie
meint ihr das, Kinder?«, fragte die Großmutter bestürzt. »Ihr passt doch gut
zusammen.«
»Clara
redet nicht!«, erklärte Lotte. »Sie sagt kein einziges Wort.«
»Stimmt!«
Karo nickte. »Sie kann nicht mal Zeichensprache.«
»Ach,
das meint ihr«, lachte Frau Hansen. »Da könnt ihr ganz beruhigt sein: Clara ist
ebenso wenig stumm wie ihr und ich.«
»Aber
...?«, riefen Lotte und Karo fast gleichzeitig.
»Die
Lösung des Rätsels ist ganz einfach: Clara kommt aus Dänemark und spricht
dänisch. Wir wohnen in Kopenhagen.« Leserstimmen:
"(...) Auch dieses Buch weist alle Stärken der vorhergehenden Texte auf: spannend, lustig,interessant, abenteuerlich und sprachlich sauber. Wirklich bemerkenswert, wie dieser Autor es versteht, junge wie ältere Menschen zu unterhalten. (...)"
"Statt der - befürchtet langweiligen - Geschichte über eine schöne Puppe in Kinderhand, ein Krimi, der sich langsam entwickelt, immer spannender wird, bis man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. (...)"
"Das Buch könnte ein Ausflugsführer durch meine schöne Heimat sein. (...)"
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