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Dienstag, 30. April 2013

Claras Puppe von Klaus Kurt Löffler



Seltsame Dinge geschehen im Hotel, als Clara mit den Großeltern in St. Wolfgang anreist. Jemand will sich in Besitz der Puppe setzen, die sie auf dem Flughafen in Kopenhagen geschenkt bekommen hat. Zum Glück findet Clara in Lotte und Karo hilfsbereite Freundinnen und - unter Führung des »UGGIS«, eines kleinen Stoff-Orang-Utan - setzen die drei sich zur Wehr. Auch Max und Micha  versuchen herauszufinden, wem die Puppe so wichtig ist, dass ihm jedes Mittel Recht ist.   
 Leseprobe
1. Das stumme Mädchen

»Mutter, du wirst es nicht glauben: Im Speisesaal sitzt ein stummes Mädchen mit einer Puppe.«
Die siebenjährige Karo stürzte aufgeregt ins Hotelzimmer ihrer Eltern und schüttelte ihr blondes Haar. Sie war zierlich gewachsen, schlank und immer in Bewegung.
»Stumm wie ein Fisch, der zu Abend gegessen werden soll«, bestätigte Lotte, ihre drei Jahre ältere Schwester, die einen Kopf größer war und ihr blondes Haar zu Zöpfen geflochten trug. »Und ihre Puppe gibt ebenfalls keinen Ton von sich«, setzte sie spöttisch hinzu.
»Sie sieht wie Wilhelmina aus«, ergänzte Karo. Wilhelmina war ihre eigene Puppe, die sie natürlich in den Urlaub mitgenommen hatte.
Die von Denkers - es gehörte noch der dreizehnjährige Max dazu - waren soeben im ›Landhaus am See zu Appesbach‹ in St. Wolfgang am Wolfgangsee angekommen. Sie kannten das Hotel schon von ihrem Frühjahrs- und Sommeraufenthalt und waren gern in das kinderfreundliche alte Herrenhaus zurückgekehrt, in dem der Herzog von Windsor zwei Monate logierte, als er wegen seiner Heirat mit der Amerikanerin Wallis Simpson auf den Thron des englischen Königs verzichten musste.
Während sich die Erwachsenen für das Abendessen fertig machten, hatten die beiden Schwestern schon den Speisesaal im Erdgeschoss aufgesucht und berichteten jetzt über ihre Beobachtungen.
»Wie kommt ihr darauf ...?«, fragte Christina von Denker auf die Bemerkung ihrer Töchter über das stumme Mädchen.
»Sie hält die Lippen eng aufeinandergepresst«, erklärte Karo.
»... als seien sie festgewachsen«, witzelte Lotte. »Vermutlich stopft sie auch das Essen durch die Ohren hinein.«
Die Mutter lachte. »Das ist wohl anatomisch nicht möglich. Wir werden es aber gleich genauer wissen, wenn wir zum Abendessen hinuntergehen. - Bist du fertig, Papa?«, fragte sie dann ihren Mann.
Der warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. »Was fragst du?«, erwiderte er. »Ich sterbe schon vor Hunger.«
»Halte dich aber zurück, Schatz«, wurde er ermahnt. »Du weißt, was dir der Arzt aufs dringendste angeraten hat.«
»Gewiss, Liebling.« Kurt von Denker ließ ein schalkhaftes Lachen ertönen. »Wird strengstens befolgt: Heute mache ich sogar gleich zwei Diäten: Von einer wird man ja nicht satt.«
Im Speisesaal war für die Neuankömmlinge ein Ecktisch reserviert, der im Eingangsbereich hinter einem Tresen stand. Eine durchlaufende Wandbank sorgte für eine Verbindung zu den Nachbartischen. Am nächsten saß das ›stumme Mädchen‹, das interessiert mit großen Augen zu ihnen herüberschaute.
Lotte und Karo nahmen auf der Bank Platz, während sich Christina von Denker auf den Stuhl gegenüber setzte und ein Gespräch mit der Tischnachbarin anzuknüpfen versuchte. »Die junge Dame neben dir könnte ein Zwilling unserer Wilhelmina sein«, äußerte sie. »So heißt die Puppe meiner Tochter Karo.«
Die ›Stumme‹ blickte sie weiterhin an, antwortete aber nicht. Ihr war auch kein Wort zu entlocken, als es auf andere Art versucht wurde.
»Vielleicht versteht sie unsere Sprache nicht«, mutmaßte Kurt von Denker und probierte es erfolglos mit Englisch und ein paar Brocken Italienisch und Spanisch, die von Urlaubsreisen hängen geblieben waren. Enttäuscht gab er schließlich auf.
»Ich sagte es ja, Papa«, bemerkte Karo. »Sie ist echt stumm.«
»Dagegen ist ein Wellensittich ein Alleinunterhalter«, pflichtete Lotte spöttisch bei. »Der zwitschert wenigstens ab und zu.«
»Besser ohne Kopf, als gar keine persönliche Note«, kalauerte Vater. »Auch aus Steinen, die im Wege liegen, kann man Gutes bauen.«
In diesem Augenblick erschien eine weißhaarige Dame. Sie hatte die Gesprächsbemühungen wohl mitbekommen. »Schön, dass ihr euch schon mit Clara bekannt gemacht habt«, äußerte sie zu den Mädchen, während sie am Nachbartisch Platz nahm.
»Wer bist du?«, fragte Karo ohne Scheu, die immer alles genau wissen wollte. »Bist du die Oma?«
»Ja«, antwortete die Frau. »Ich heiße Uta Hansen. Clara ist mit mir und meinem Mann hier im Urlaub. Wir würden uns freuen, wenn sie bei euch Anschluss fände.«
»Daraus wird wohl nichts«, äußerte Lotte abfällig. »Bei der herrscht doch Totalausfall auf allen Bereichen.«
»Ja«, bestätigte Karo. »Der Sender ist echt kaputt.«
»Wie meint ihr das, Kinder?«, fragte die Großmutter bestürzt. »Ihr passt doch gut zusammen.«
»Clara redet nicht!«, erklärte Lotte. »Sie sagt kein einziges Wort.«
»Stimmt!« Karo nickte. »Sie kann nicht mal Zeichensprache.«
»Ach, das meint ihr«, lachte Frau Hansen. »Da könnt ihr ganz beruhigt sein: Clara ist ebenso wenig stumm wie ihr und ich.«
»Aber ...?«, riefen Lotte und Karo fast gleichzeitig.
»Die Lösung des Rätsels ist ganz einfach: Clara kommt aus Dänemark und spricht dänisch. Wir wohnen in Kopenhagen.«

Leserstimmen:
"(...) Auch dieses Buch weist alle Stärken der vorhergehenden Texte auf: spannend, lustig,interessant, abenteuerlich und sprachlich sauber. Wirklich bemerkenswert, wie dieser Autor es versteht, junge wie ältere Menschen zu unterhalten. (...)"

"Statt der - befürchtet langweiligen - Geschichte über eine schöne Puppe in Kinderhand, ein Krimi, der sich langsam entwickelt, immer spannender wird, bis man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. (...)"

"Das Buch könnte ein Ausflugsführer durch meine schöne Heimat sein. (...)"



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