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Dienstag, 22. Januar 2013

Veanis - Das Reich der Bücherverschlinger von Ingrid Mayer

Klappentext:
Dem Mädchen Lina wird der Zugang in das geheime Reich Veanis gewährt, in dem faszinierende Wesen leben. Doch einige Wochen später erreicht Lina ein Hilferuf aus Veanis. Hat Lina ungewollt jemandem Zutritt in diese Welt verschafft? Sie fühlt sich verantwortlich und reist zusammen mit ihrem Bruder erneut in das sonderbare Land.
Die Kinder sind entsetzt über die Zustände, die sie dort vorfinden. Um ihre
Freunde zu retten, lassen sie sich auf ein wildes Abenteuer ein...
Erhältlich bei Amazon, Smashwords und Itunes.   




Leseprobe

„Über dem verwunschenen Reich liegt ein Dunst aus feinsten Tröpfchen und überall, sogar in den Städten, hört man das Rauschen des Wassers. Es stammt von hunderten Wasserfällen, die sich über die Felsen hinabstürzen und das Land mit einem stetigen Brausen erfüllen. Keiner davon gleicht dem anderen. Jeder verfügt über eine einzigartige Schönheit. Doch nur einer von ihnen birgt ein Geheimnis …“


„He, was soll das?“ Wassertropfen sprenkelten das Papier, das auf Linas Knien lag. Sie blickte verärgert auf. Fabian stand vor ihr, bekleidet mit einer Badehose und schüttelte seine nassen Haare, die ihm nun wie dicke Stacheln vom Kopf abstanden.
„Was schreibst du denn schon wieder?“, wollte er wissen.
Lina legte den Stift weg und atmete tief durch. Dass ihr jüngerer Bruder sich nicht für ihr Hobby begeisterte, wusste sie schon lange. Aber musste Fabian immer stören, wenn ihr gerade die tollsten Ideen durch den Kopf schossen? Sie beschloss, geduldig mit ihm zu sein und erklärte: „Ich schreibe eine Geschichte über ein Land, in dem es viele Wasserfälle gibt. Hinter einem von ihnen ist ein Schatz versteckt, der...“
„Wasserfälle?“, unterbrach Fabian sie und deutete hinter sich. „So wie dieser hier? Und du glaubst, jemand käme auf die Idee, dahinter einen Schatz zu vergraben?“
Lina seufzte. Es war hoffnungslos. Niemals würde er ihre Leidenschaft für fantastische Welten verstehen. Sie beschloss, ihren Bruder zu ignorieren und starrte stur auf ihren Schreibblock, bis sich Fabian beleidigt trollte. Erst als sie ein Platschen hörte, sah Lina wieder auf. Fabian hatte sich ins Wasser gestürzt und trieb nun wie eine lebende Luftmatratze auf der Oberfläche des kleinen Bergsees. Hinter ihm rauschte ein Wasserfall über die Felsen hinab und ergoss sich in das flache Becken. Lina schloss die Augen und konzentrierte sich auf das stetige Rauschen.
Dass der Sonntagsausflug mit der Familie an diesen Ort geführt hatte, freute Lina sehr, denn nun hatte sie Gelegenheit, einen echten Wasserfall zu erleben. Die neuen Eindrücke wollte sie gleich in ihre Geschichte einfließen lassen.

Als Lina ihre Augen wieder öffnete, sah sie oben, auf dem höchsten Punkt des Berges, zwei Gestalten stehen, die zu ihr hinabwinkten. Lina winkte zurück. Ihre Eltern hatten den großen Felsen über dessen Rückwand bestiegen. Nun befanden sie sich dort, von wo aus sich das Wasser in die Tiefe stürzte. Linas Blick wanderte wieder nach unten, denn da winkte ihr ebenfalls jemand zu. Direkt vor dem Wasserfall stand Fabian und gab ihr mit einem Zeichen zu verstehen, dass er vorhatte, durch die Wasserwand zu gehen. Anscheinend wollte er tatsächlich nachsehen, ob dahinter ein Schatz versteckt war.
‚Dieser Idiot’, dachte Lina. Zum Glück sahen die Eltern nicht, wie Fabian kurz darauf hinter den Wassermassen verschwand.

* * *

Das Wasser umfing Fabian mit einer Wucht, mit der er nicht gerechnet hatte. Ein breiter, gleichmäßiger Schwall ergoss sich über ihn und presste ihn mit seiner überraschenden Schwere beinahe zu Boden. Er bekam keine Luft mehr und torkelte zurück. Doch das Wasser war überall, drückte ihm in Nase, Mund und Ohren. Es fühlte sich an, als sei er von flüssigen Mauern umschlossen. Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Noch ein Schritt, weit konnte es nicht mehr sein! Mühsam kämpfte sich Fabian vorwärts.
Das Prasseln auf seinem Rücken hörte unvermittelt auf. Es hatte nur wenige Sekunden gedauert, bis Fabian wieder ins Trockene trat, doch ihm war es wie eine Ewigkeit vorgekommen.

Er wischte das Wasser aus seinen Augen und sah sich um. Vor ihm ragte ein Felsblock auf. Der Stein ähnelte einer in den Fels gehauenen Treppe, die etwa zwei Meter nach oben führte und mit Moos bewachsen war.
„Lina, hier kann man hinaufklettern!“, brüllte Fabian gegen das Tosen des Wasserfalls an, obwohl er nicht glaubte, dass sie ihn hören konnte. Prüfend betrachtete er das nasse Gestein. Ziemlich glitschig, fand er, doch die Neugier war stärker als seine Angst auszurutschen. Seine Hände griffen nach kleinen Einkerbungen, sein Fuß suchte sich einen festen Stand auf dem ersten Absatz. Als er das andere Bein nachziehen wollte, rutschte er ab. Fabian versuchte es erneut, und nun gelang es ihm, Halt zu finden. Fest krallte er seine Zehen ins Moos und hangelte sich Stück für Stück höher.
Als Fabian über die letzte Stufe stieg, erfüllte ihn das mit Stolz. Er wünschte, Lina hätte ihm dabei zugesehen, wie zügig er den Aufstieg bewältigt hatte.

Der blanke Fels unter seinen Füßen fühlte sich ungemütlich kalt an, so dass Fabian beschloss, sich nur kurz umzusehen und diesen Ort möglichst bald wieder zu verlassen. Vor ihm lag ein Hohlraum, der gerade so hoch war, dass ein Viertklässler aufrecht darin stehen konnte. Wie weit er ins Innere reichte, konnte Fabian nicht genau erkennen, doch er vermutete, dass es sich nur um eine kleine Einbuchtung im Fels handelte. Als er die Höhle betrat, begann sein Herz lauter zu klopfen. Das ärgerte ihn ein wenig, denn es gab eigentlich überhaupt keinen Grund, sich zu fürchten. Was sollte hier schon sein? Vielleicht ein paar Fledermäuse, doch vor denen hatte er keine Angst. Langsam tastete sich Fabian voran. Mit jedem seiner Schritte schien es um ihn herum finsterer zu werden. Nur ein paar einzelne Sonnenstrahlen drangen gelegentlich durch das herabströmende Wasser und ließen helle Flecken auf dem Gestein tanzen.

Es konnten keine zehn Meter gewesen sein, die Fabian zurückgelegt hatte, als er plötzlich vor einer Felswand stand. Das war es also. Eine Sackgasse. Kein finsteres Geheimnis, das sich in dem Gang verbarg, keine sensationelle Entdeckung. Nicht, dass er damit gerechnet hätte. Aber insgeheim war Fabian schon etwas enttäuscht.
Als er gerade umkehren und sich auf den Rückweg begeben wollte, fiel erneut ein wenig Sonnenlicht in die Höhle herein. Etwas blitzte kurz auf und warf das einfallende Licht zurück, so dass Fabian geblendet wurde. Er blinzelte und sah verdutzt zu der Stelle auf der Wand. Etwa in der Höhe seiner Brust glitzerte ein silberner Gegenstand. Er streckte die Hand aus, um das merkwürdige Ding zu berühren. Irgendwie kam es ihm bekannt vor. Es dauerte einen Moment, bis ihm bewusst wurde, was seine Finger hier umschlossen hielten. Hastig zuckte Fabian zurück und starrte auf das Gebilde im Fels.
Das war kein Schatz, sondern etwas ganz anderes – etwas, das eigentlich nicht hierher gehörte.

Leserstimmen: 
"(...) Mir als Erwachsene hat diese Fantasy Geschichte gefallen.Obwohl das Buch auch für Kinder geeignet ist.In jedem Erwachsenen steckt immer mal wieder noch ein Kind ;-) ."

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