Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren
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Dienstag, 18. November 2014

Carola - Muh-Kuhisch für Anfänger von Christoph und Doris Hermann



Sprichst du „muh-kuhisch“?

Nein? Dann geht es dir wie Matilda und ihren Eltern, dem Bauern Wiesel und seiner Frau, der Bäuerin.
Auf deren Bauernhof nahe dem kleinen Dorf wohnt Carola. Carola ist eine Kuh, aber nicht irgendeine Kuh. Carola ist ausgesprochen neugierig. So neugierig, dass sie immer wieder in Schwierigkeiten gerät. Und da sie nur „muh-kuhisch“ spricht, ist es nicht immer so einfach zu verstehen was sie möchte und wie man ihr helfen kann.

Vielleicht kannst du ja doch „muh-kuhisch“? Finde es heraus!
Erhältlich bei Amazon.



Carola und der Löwenzahn
Endlich! Endlich war er da! Der Frühling! Carola hatte solange auf ihn gewartet und nun war er da. Sie genoss die Tage auf der Weide, genoss es an der frischen Luft zu sein, den Vögeln zuzuhören und das frische saftige Gras zu fressen. Es konnte eigentlich nicht besser werden.
Doch dann entdeckte Carola eines Morgens einen kleinen gelben Punkt am anderen Ende der Weide. „Muuhu?“, wunderte sie sich. Interessiert trabte sie darauf zu. Da stand doch tatsächlich eine kleine gelbe Blume. Ob man die wohl essen konnte? Carola beschnupperte die Blume. Sie roch lecker. Vorsichtig leckte Carola mit ihrer langen Zunge über die gelbe Blüte. „Muuh“, freute sie sich. Das schien ja wirklich ein besonderer Leckerbissen zu sein. Behutsam zupfte sie erst die Blüte und dann die Blätter ab. Hmmm, wie das schmeckte! Köstlich!
Unauffällig sah sie sich um. Sie blickte erst nach rechts und dann nach links. Ob die anderen Kühe auch schon bemerkt hatten, dass es auf der Weide so etwas Leckeres gab? Anscheinend nicht. Die anderen Kühe standen allesamt noch am anderen Ende der großen Weide. Carola blickte sich um.
Es musste doch noch mehr von diesen appetitlichen Pflanzen geben! Sie machte sich auf die Suche. Und tatsächlich, überall entdeckte sie plötzlich die kleinen leckeren Blumen. Zielstrebig huschte sie von hier nach dort und fraß genüsslich eine nach der anderen, immer bedacht darauf, dass die anderen Kühe nichts davon mitbekamen.
Als die Sonne hoch am Himmel stand hatte Carola alle gelben Blumen gefressen, die sie finden konnte. Sie schaute sich um. Nein, es war keine mehr zu sehen. Oder etwa doch? Ganz hinten am Zaun konnte sie noch etwas Gelbes leuchten sehen. „Muuh!“ Aufgeregt begab sie sich dorthin. Und wirklich, da stand noch eine gelbe Blume auf der anderen Seite des Zaunes! Größer und gelber als alle, die Carola bisher entdeckt hatte.
Carola streckte ihren Kopf durch den Zaun, um diese eine letzte Blume zu fressen. Doch sie konnte die Blume nicht erreichen. Carola streckte die Zunge aus, doch es half nichts. Sie stand zu weit weg. Carola zog den Kopf zurück und stampfte aufgeregt auf. „Muh!“ Das konnte doch nicht wahr sein! Irgendwie musste sie doch an diese eine letzte Blume herankommen.


 




Wieder streckte sie den Kopf durch den Zaun und wieder streckte sie die Zunge raus. Doch sie erreichte die kleine gelbe Pflanze nicht. Nur wenn der Wind in ihre Richtung blies, konnte sie sie mit ihrer Zungenspitze berühren. Das machte Carola nur noch wütender. Immer und immer wieder versuchte sie es. Ihre Zunge begann weh zu tun und ihr Nacken wurde steif.
Da kam plötzlich Matilda, die Bauerstochter. Sie hatte ihre Lieblingskuh schon eine ganze Weile von ihrem Kinderzimmerfenster aus beobachtet und sich gewundert, was in aller Welt Carola die ganze Zeit an dieser Stelle des Zaunes tat. „Na, Carola“, sagte sie, „was machst du denn hier? Hast du etwas entdeckt?“ „Muuh“, antwortete Carola, ihre Augen immer noch auf die Blume gerichtet. „Oh, ein Löwenzahn!“, rief Matilda. „Der ist aber schön!“
Und ehe sich Carola versah, hatte Matilda die Blume gepflückt. „So einen großen habe ich aber noch nie gesehen“, sagte Matilda und betrachtete den Löwenzahn ausgiebig. Carola war entsetzt. Da hatte sie sich den ganzen Nachmittag so abgemüht, und nun kam Matilda und schnappte ihr diesen Leckerbissen vor der Nase weg!

Dienstag, 13. November 2012

Sommerabenteuer in Dobberdau von Anja Blum

Klappentext:
Die vier Kinder Charli, Ole, Jens und Vivian verbringen ihre Sommerferien in Dobberdau, dem kleinen beschaulichen Dorf am See. Hier gibt es noch einen Kuhstall und sogar ein Storchennest. Wenn du jetzt denkst, die Ferien müssen ja stinklangweilig sein, wirst du in der Geschichte der 4 eines Anderen belehrt. Dass jeder Tag spannend ist, dafür sorgt Resi, das kleine braune Kälbchen genauso, wie der Angelspaß im See. Erfahre im Buch, was mit Vivian passiert und ob sie aus dem See gerettet werden kann. Nach 6 Wochen gehen auch für die Kinder in Dobberdau die erlebnisreichen Sommerferien, die scheinbar so blöd begannen, zu Ende.
Erhältlich bei Amazon als Create Space und E-Book.



 Leseprobe

»Kommt, lasst uns zu August gehen. Ich glaube, da ist ein neues Kälbchen geboren worden.« Ole hatte es ganz wichtig. Von seiner großen Schwester Nele, die schon 16 war, hatte er die Neuigkeit erfahren. Und nun wollte er natürlich nichts schneller, als mit seinen Freunden das Kälbchen anzuschauen. Vielleicht konnten sie das kleine Tier mal streicheln, das wäre echt toll.
»Oh ja, ein Kälbchen, wie schön.« Charli hüpfte gleich hellauf begeistert auf der Stelle auf und ab. Jens stimmte fröhlich ein. Als die drei losliefen, fiel ihnen zum Glück ein, dass Vivian ja noch da stand.
»Komm, Vivian, los!«, rief Charli. Vivian trottete hinterher. Sie war überhaupt nicht wild darauf, in einen dreckigen und stinkenden Kuhstall zu gehen. Aber was sollte sie schon machen?
»Guten Tag, Herr August«, begrüßten die Kinder August freundlich. Sie spürten, dass er heute nicht so mies gelaunt war. Sicher lag das an dem kleinen neuen Kälbchen. Der August hatte schon graue Haare, die unter dem braunen Hut hervorschauten. Der Hut schien auf seinem Kopf angewachsen zu sein, denn ohne dem kannten die Kinder den August nicht. Genauso, wie die blauen Arbeitshosen, die der August ständig trug. Nur das Hemd schien er ab und an zu wechseln. Der August hatte tiefe Falten in seinem gebräunten Gesicht. Am tiefsten war die Falte zwischen den Augen, über der Nase. Die ließ ihn bedrohlich grimmig aussehen. August hatte breite Schultern, überhaupt war er ganz schön stark. Was der alles schleppen konnte! Da staunten die Kinder oft.
»Wollt ihr wieder Limonade?«, fragte er.
»Ja... Nein... Eigentlich wollten wir das neue Kälbchen anschauen«, stotterte Ole etwas rum und rückte seine Brille zurecht.
»So, so, das neue Kälbchen. Habt ihr also schon davon gehört?«
Die Kinder schauten August erwartungsvoll an.
»Und wen habt ihr heute noch mitgebracht, ein richtiges kleines Fräulein?«
Vivian wurde rot. Was wollten bloß dauernd alle von ihr? Es reichte doch schon, wenn es hier überall so stank.
»Das ist meine Cousine Vivian«, erklärte Charli. »Sie ist den Sommer bei uns zu Besuch.«
»Soso. Na dann kommt mal mit.« August machte eine einladende Hand­bewegung und schlurfte in seinen schwarzen Gummistiefeln in den Stall.

Da stand es nun, auf ganz wackeligen Beinen. Ein kleines braunes Kälbchen mit ein paar vereinzelten weißen Flecken und ganz großen schwarzen Augen. Es war mit seiner Mama in einer mit Holzbrettern eingezäunten Box und drängte sich ganz arg an sie.
»Och ist das niedlich. So klein. Wie heißt es denn?«, wollte Charli wissen.
»Es hat noch keinen Namen. Von mir aus könnt ihr ihm einen geben«, brummelte August. Er freute sich auch sehr über das Kälbchen, konnte es aber gar nicht richtig zeigen.
»Wie wollen wir es nennen?«, fragte Ole.
»Lassen wir doch Vivian einen Namen aussuchen«, schlug Jens vor, der dabei einen verstohlenen Blick auf Vivian warf. Ihre langen blonden Zöpfe gefielen ihm. Und Vivians Augen waren blau wie das Meer. So richtig hübsch, fand Jens. Charli wollte sich beschweren, hielt dann aber doch ihren Mund. Jens setzte sein Basecup ab, fuhr sich durch seine schulterlangen Haare, setzte die Mütze wieder auf und fragte Vivian »Magst du einen Namen für das Kuhbaby finden?«
Vivian zuckte mit den Schultern. Sie wusste nicht so recht, fühlte sich aber ganz schön geschmeichelt, dass Jens sie gefragt hatte. Sie überlegte schnell und sagte dann »Resi, nennen wir es doch Resi.«
»Resi gefällt mir.« Jens war sofort einverstanden. Ole und Charli schauten sich an, zogen beiden die Augenbrauen hoch, nickten dann aber zustimmend mit dem Kopf.
»Na da habt ihr ja Glück, dass es sich um ein Kuh­mädchen handelt. Da passt Resi zufällig«, entgeg­nete August.
»Resi, Resi komm mal her«, lockte Charli das Kälbchen. Resi hatte zwar Angst, aber die Neugierde siegte und so kam sie zu den Kindern. Sie versuchte gleich, irgend­etwas zum Saugen zu finden und erwischte die Hand von Charli, die sie über den Holzverschlag hängen ließ. Sofort fing das Kälbchen kräftig mit saugen an. Zschlüz, zschlüz, zschlüz schmatzte es kraftvoll. »Hui ist das ein komisches Gefühl, hihihi«, kicherte Charli und streichelte den Kopf von Resi mit der anderen Hand.
»Lass mich auch mal!«, forderte Ole und schob Charli fast bei Seite.
Jens wollte das Kälbchen natürlich auch streicheln und langte über den Zaun. Vivian stand mit ihren Lackschuhen im Stallmist. Am liebsten wäre sie weggelaufen, aber ein klein wenig wollte sie auch das Kälbchen sehen. Völlig entsetzt sah sie zu, wie Charli die Finger in das Maul des Kälbchens steckte. Wenn die Resi in die Finger beißt?
»Magst du auch mal?«, fragte Jens, der inzwischen bei Resi zum Streicheln kam.
»Nee, die beißt mir doch die Finger ab«, antwortete Vivian kopfschüttelnd.
»Das Kälbchen kann dich nicht beißen«, erklärte August, der den Kindern zusah. »Seine Zähne sind noch nicht da. Es will nur saugen. Kleine Kälber haben nämlich immer Hunger.«
Vivian wollte das nicht so richtig glauben, was der alte Mann da sagte. Aber trotzdem wagte sie sich etwas näher an Resi heran. Sie lehnte sich an den Holzverschlag und streckte zögernd ihre Hand aus. Resi sah ihre Chance und wollte gleich bei Vivian saugen. Das erschreckte sie so sehr, dass sie ruckartig zurücksprang. Dabei blieb sie mit ihrer Bluse am Holz hängen, es machte Ratsch und die schöne weiße Bluse hatte einen Riss. Vivian bemerkte es und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Die anderen drei sahen, was passiert war, aber keiner lachte Vivian aus.
»Das kann man bestimmt flicken«, tröstete August das Mädchen. »Das nächste Mal ziehst du dir einfach etwas an, was besser in den Stall passt.«
Vivian war schockiert, die schöne Bluse war kaputt. Und dann auch noch die schleimige Zunge von dem Kalb. Das hatte an ihrer Hand gesaugt. So etwas hatte Vivian noch nie erlebt. Igitt war das ekelig. Vivian erfasste ein Schüttelschauer, der sie den Kopf zwischen ihre Schultern ziehen ließ. Das Kalb ließ sich davon nicht beirren und versuchte aufdringlich, irgendetwas von Vivian zu erwischen, um daran zu saugen. Das sah putzig aus. Eigentlich total süß. Dieses kleine Kuhkind hatte offensichtlich einen Narren an Vivian gefressen.  Aber das interessierte Vivian im Moment gar nicht. Sie wollte nur weg hier.







Montag, 23. Januar 2012

Die Perle auf dem Hühnerstall von Marion Pletzer


Klappentext:

Unversehens geraten die Henne Clarissa und ihre Gefährten in die Erbschaftsstreitigkeiten ihrer Menschen Valerie und Hendrik. Die sollen den Hof verlassen, weil das Testament nicht auffindbar ist. Das Geflügel soll geschlachtet werden. Clarissa will sich selbst und ihre Freunde retten.
Mit Hilfe der Krähe Margo begeben Clarissa, das Perlhuhn Perle und die Pute Consuela sich auf den Weg in nächste Dorf zu der gefangenen Taube Ugundi. Die hat Margo versprochen, dem Geflügel bei der Lösung ihres Problems zu helfen. Als Preis fordert sie ihre Befreiung. Eine aufregende und gefährliche Reise beginnt.

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Die Perle auf dem Hühnerstall

Kapitel 3

Clarissa hüpfte auf die Sitzstange. Sie vermisste Valeries warme Hand auf ihrem Rückengefieder, ihre sanfte Stimme und die Extraportion Haferflocken. Was, wenn Flo Recht hatte und Valerie kam nicht mehr wieder? Hendrik konnte sie niemals ersetzen. Clarissa kletterte noch eine Stange höher. So hatte sie alle Hühner im Blick.
„Unser Leben wird bedroht. Wir müssen herausfinden, was es ist“, sagte sie.
Ratlose Blicke trafen sie.
„Wieso? Ist doch alles wie immer“, bemerkte Artus. „Außer, dass wir heute etwas später als sonst Futter bekommen haben.“
„Hendrik hat uns gefüttert. Beweis genug, dass etwas nicht stimmt. Valerie hat uns noch nie jemand anderem überlassen. Nicht mal als Johnny tot im Garten lag.“
Die Hühner nickten zustimmend.
Johnny war ein dicker Kater gewesen, grauweiß wie die Gänse. Er lag am liebsten auf der von der Sonne erwärmten Bruchsteinmauer. Bei schönem Wetter verschlief er so den halben Tag. Bei schlechtem schlich er ins Haus. Ab und zu streunte er durch den Auslauf und hielt Ausschau nach Mäusen, die vor dem Stall nach Körnern suchten. Gelegentlich packte er eine und schleppte die um ihr Leben piepsende und zappelnde Maus davon. Sobald Valerie Johnny sah, streichelte sie ihm über das Fell und sprach leise mit ihm. Sie lachte, wenn er ihr um die Beine strich. Sie weinte ganz entsetzlich, als sie ihn eines Morgens kalt und steif unter dem Rosenbusch fand.
„Wahrscheinlich ist gar nichts. Menschen tun oft eigenartige Dinge.“ Trulle, ein behäbiges Lachshuhn, dessen befiederter Bart bei jeder Bewegung wackelte, sprach langsam und leise.
„Du hast diesen Fred nicht gesehen, Trulle. Seine Augen glitzerten so bösartig wie die von Habicht. Er sagte, er würde jedem hier den Kopf abschlagen“, widersprach Clarissa.
„Ich kenne ihn“, mischte Henni sich ein. Sie war die älteste Henne am Hof und im Gegensatz zu Gunters Gedächtnis, war ihres hervorragend.
„Das letzte Mal, als er hier war, führte ich meine ersten Küken. Fred und Edgar stritten so heftig miteinander, dass ihre Gesichter rot anliefen. Edgar war der Stärkere und vertrieb Fred vom Hof. Danach kam er nie wieder.“
Aufgeregt gackerten die Hühner durcheinander.
„Warum kommt er denn jetzt zurück?“ Perle flatterte neben Clarissa auf die Stange.
„Weil Edgar nicht mehr da ist. Oder hat ihn jemand von euch gesehen?“, fragte Henni in die Runde.
Nach einigem Gezeter einigten die Hühner sich darauf, dass Edgar bereits länger weg war als Valerie.
„Dann will Fred seinen Platz einnehmen“, bemerkte Artus. „Jede Gruppe benötigt einen Anführer.“
Clarissa schüttelte den Kopf.
„Das kann nicht stimmen. Er sagte, er will den Hof nicht. Nur Geld.“
Die Hühner sahen sie verständnislos an. „Geld?“
„Kann man das fressen?“, fragte Flo. Eine berechtigte Frage fanden die anderen und nickten. Aber eine Antwort konnte ihr niemand geben.
„Ihr seht, es gibt viele Fragen zu klären. Perle, du bist die beste Fliegerin von uns. Flieg zum Haus hinüber und versuche etwas herauszufinden“, bestimmte Clarissa.
„Nee, nee. Paco hat schon mal fast meine Schwanzfeder erwischt“, sagte Perle. Vor Pacos spitzen Zähnen fürchteten sich alle.
„Aber einer muss gehen“, beharrte Clarissa. „Und am besten der, der die größte Chance hat, zum Haus vorzudringen. Schließlich wir sind alle betroffen.“
Wieder nickten die Hühner sich gegenseitig zu.
„Ich erledige bereits die Aufgabe der Wächterin. Mehr ist nicht drin“, entgegnete Perle. „Seine Eier muss schließlich auch jeder alleine legen.“
Die Hühner verfielen in Schweigen.
„Wie wäre es mit Gunter?“, sagte Henni. „Der kann doch alles. Sagt er jedenfalls.“
„Gute Idee. Trulle machst du das? Dich mag er von uns am liebsten“, sagte Clarissa.
Vor Freude, dass ihre Hilfe gefragt war, hüpfte Trulle sofort nach draußen. Neugierig folgten die anderen.
Leise gurrend, tänzelte Trulle auf den Krallenspitzen um Gunter herum. Sofort blähte er die Federn und stimmte in den Tanz ein. Seine Gesichtshaut färbte sich blau. Kollernde Laute drangen aus seinem Schnabel. Eine Weile drehten Trulle und Gunter ihre Kreise auf der Wiese. Dann blieb Gunter stehen und schüttelte so heftig den Kopf, dass der wurmförmige Hautlappen um seinen Kopf schwang.
„Er will nicht. Hätte ich euch gleich sagen können“, bemerkte Babette forsch. Sie war ein schickes Junghuhn, dessen lackschwarzes Gefieder eindeutig Artus als Vater erkennen ließ.
Trulle gab nicht auf. Munter tänzelte sie weiter. Ihr Gefieder glänzte rosafarben in der Sonne, der Bart schwang anmutig bei jedem Schritt. Gunter fiel wieder in den Tanz ein. Erneut drehten sie sich im Kreis. Schließlich legte er das Gefieder glatt an den Körper, die blaue Gesichtsfärbung wechselte zurück ins rosafarbene und er nickte. Trulle strich ein letztes Mal mit ihrer Körperseite an der seinen entlang und kam zurück zum Stall.
„Er macht’s. Schade, dass er ein Langbein ist.“ Verlegen strich sie den Bart am Brustgefieder glatt.
Gunter flatterte auf den Pflaumenbaum, der in der Nähe des Stalls wuchs. Von dort auf das Stalldach. Dann auf die Terrasse. Gemächlich schritt er zum Haus. Das Gezeter seiner Damen, die ihn mit schrillen Stimmen zur sofortigen Umkehr bewegen wollten, ließ er hinter sich. Sein Blick fiel auf eines der Fenster. Es stand offen.
Bis auf die Gänse, rannten alle zum Zaun und verfolgten, wie er mit federnden Schritten das Beet erreichte, das die Hauswand einrahmte. Da entdeckte er eine Staude mit gelben Blüten. Zart und saftig sahen sie aus. Er senkte er den Kopf und pickte an den Blütenblättern herum. Solche Köstlichkeiten gab es im Auslauf nicht.
„Gunter!“, rief Clarissa. Er hörte sie nicht, sondern pickte eine Blüte nach der anderen von den Zweigen.
„Gunter!“
Er hob den Kopf.
Ihr Schnabel deutete ihm die Richtung, die er einschlagen sollte. Er kollerte und nickte bedächtig. Unterhalb des Fensters blieb er stehen, überlegte kurz und sprang auf einen blühenden Busch. Die Zweige bogen sich unter seinem Gewicht. Blütenblätter rieselten zu Boden und bedeckten die dunkle Erde wie eine hauchdünne Schneeschicht. Hendriks Silhouette erschien am Fenster. Den Kopf schräg gestellt, lauschte Gunter Hendriks aufgeregter Stimme. Es strengte ihn an, sich die schnell gesprochenen Worten zu merken.
„Paco kommt!“ schrie Perle mit einem Mal durchdringend in die gespannte Stille.
Die Hühner blickten starr auf den schwarzen Hund, der mit fliegenden Ohren um die Ecke schoss.
Die Puten jammerten und wehklagten bereits über den unvermeidlichen Verlust ihres Hahns. Dabei drehten sie sich verzweifelt im Kreis.
Gunter blickte sich hektisch um und sprang schließlich vom Busch herunter. Er blähte sich auf. Seine Flügel schabten über den Boden. Mit ruckendem Kopf stellte er sich dem Hund entgegen. Paco blieb stehen. Er zögerte. Dann senkte er den Kopf. Die Zunge hing weit aus seinem Maul. Strahlend weiß hoben die Zähne sich von dem schwarzen Fell ab.
„Helft ihm doch! So helft ihm doch“, jammerten die Puten.
Paco duckte sich, schlich auf Gunter zu. Sein Blick fixierte ihn. Gunter hielt sich mit dem Rücken zur Wand und stieß spuckende Laute aus. Mit den fächerartig ausgebreiteten Schwanzfedern beschrieb er einen Halbkreis nach dem anderen.
Ohne zu überlegen, flatterte Clarissa auf den Zaun. Schwerfällig flog sie in Richtung des Hundes.
„Kehr um!“, schrie Henni hinter ihr her.
Paco fuhr herum. Jeden einzelnen seiner spitzen Zähne konnte Clarissa erkennen, als er zu ihr hochsprang. Pacos Kiefer klappten aufeinander. Clarissa spürte ein Ziehen am Schwanz. Panisch flatterte sie. Und kam frei. In Pacos Maul hing eine braune Feder. Mit mehreren hektischen Flügelschlägen erreichte Clarissa den rettenden Zaun. Gunter nutzte die wenigen Sekunden, die Clarissa ihm verschafft hatte. Er flog auf und landete auf der Fensterbank. Fieberhaft schlugen seine Flügel. Doch seine Krallen fanden auf der glatten Fläche fand keinen Halt. Heiser bellte Paco zu ihm hinauf.
„Paco, aus!“ Hendriks Stimme klang böse. Augenblicklich verstummte Paco. Er ließ die Ohren hängen und schlich mit eingekniffener Rute ins Haus.
Erleichtert sprang Gunter von der Fensterbank. Sein Kollern schallte über den ganzen Hof.
„Was machst du denn hier draußen? Marsch, zurück!“ Die Arme ausgestreckt, scheuchte Hendrik Gunter zurück. Gemächlichen Schrittes, als wäre ihm nicht gerade das Leben geschenkt worden, spazierte Gunter zurück in den Auslauf.
Seine Damen rannten auf ihn zu. Vor Erleichterung zupften sie aufgeregt an seinem Gefieder. Schnell bildeten die Hühner einen Halbkreis um Gunter und drängten ihn zu erzählen, was er erfahren hatte.
„Nicht besonders viel. Hendrik sprach so schnell. Und dann kläffte dieser, … ,dieser… Hund“, sagte Gunter.
„Nun erzähl schon“, sagte Clarissa aus Sorge, er könne alles vergessen, wenn er sich mit Nichtigkeiten aufhielt. Gunter zog die federlose Stirn in Falten. Eile war nicht seine Sache.
„Immer mit der Ruhe. Valerie ist krank. So viel habe ich verstanden.“
„Krank?“
„Was hat sie denn?“
„Wann kommt sie wieder?“
Alle riefen durcheinander.
„Schleichender Hühnertod.“ Diese beiden von Babette unbedacht ausgesprochenen Worte lösten große Bestürzung aus. Augenblicklich verstummten alle. Jeder wusste Bescheid über diese Krankheit. Zunächst fühlte man sich nur schlapp. Der Kamm bekam die Farbe eines Regenwurms. Dann lief blutiges Wasser aus der Kloake. Man wurde schwächer und schwächer, während ein ständig schlimmer werdendes Gewitter durch die Gedärme wütete. Bis man irgendwann von der Stange fiel.
„Dann ist sie nicht zu retten“, flüsterte Fee in die angstvolle Stille. Und sie musste es wissen, fielen doch ihre Mutter und fünf ihrer Geschwister dieser schrecklichen Krankheit zum Opfer. Nur Valeries unermüdlicher Pflege verdankte sie ihr eigenes Leben.
„Hat Hendrik sonst noch etwas gesagt?“, fragte Clarissa.
„Dass er uns alle weggeben muss. Mehr weiß ich nicht.“ Gunter schüttelte den Kopf, so dass der Hautlappen wie eine Bommel herumflog.
„Bist du sicher? Oder hast du es nur vergessen?“, bohrte Clarissa nach. Vermutlich wäre es doch besser gewesen, Perle hätte diese Aufgabe übernommen. Gunter faltete erneut seine Stirn.
„Ach, ja. Fred, der Mistkerl, sagte er noch. Mehrmals.“ Gemeinsam mit seinen Damen schritt Gunter in den hinteren Teil des Auslaufs. Seine Arbeit war erledigt.
Weggeben, hatte Hendrik gesagt. Clarissa blickte über die Köpfe der Hühner, so als wolle sie sie durchzählen. Das bedeutete, fort vom Hof. Fort von Zuhause.



Leserstimmen:

"Lange habe ich mich bei einer Geschichte nicht mehr so amüsiert, wie bei diesem Text. Die Autorin muss Tiere, insbesondere Hühner lieben, wie sonst könnte jemand so wunderbar und gefühlvoll darüber schreiben. Humorvoll erzählt sie die Geschichte von Clarissa und Perle den Hühnern, der Krähe Margo und Ugundi, einer Brieftaube... Ein Buch, das ich nur jedem empfehlen kann."


"... fundiert taucht sie in die Welt auf dem Bauernhof ein, in Clarissas Hühnerwelt, in der es spannende Konflikte gibt und auch bezaubernden Humor."


"... Humor hat dabei viel Platz. Geradezu köstlich, wie der Ganter Gunter als leicht beschränkt und höchst vergesslich dargestellt ist. Auch der schöne Hahn Artus ist nicht ganz auf der Höhe des Geschehens, sodass das Schicksal des Hofs in den Krallen der weiblichen Mitglieder des Geflügels liegt... So ist dieser Roman für Kinder nicht nur spannend zu lesen, sondern auch lehrreich. Nicht nur für Kinder. Vergnüglich obendrein."