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Ein Buch mit Geschichten für Kinder und Geschichten für Erwachsene.
Finnjas Wünschehund
von Annette Paul
„Holt eure Stifte heraus. Wir schreiben einen
Rechentest.“ Frau Rehder, Finnjas neue Klassenlehrerin, verteilte schnell einen
Aufgabenzettel.
Finnja holte ihre Federtasche aus dem Ranzen. Warum
musste sie gleich am ersten Tag in der neuen Schule eine Arbeit schreiben?
Zuerst kamen einfache Malaufgaben. Die rechnete sie schnell
aus. Dann folgte eine Textaufgabe. Sie las sie zweimal durch, ohne sie zu
verstehen. Wie sollte sie die bloß lösen?
Sie schaute auf. Melanie neben ihr schrieb und rechnete
ohne Pause. Der Junge mit dem Strubbelkopf vor ihr kaute auf seinem Stift
herum. Er schien ähnliche Probleme wie sie zu haben.
Eine blöde Schule! Warum konnte sie nicht auf ihre alte
gehen? Nur weil Papa versetzt worden war. Hier kannte sie niemanden und gleich
in der zweiten Stunde musste sie eine Mathearbeit schreiben. Sie beugte sich
wieder über ihr Heft und versuchte, wenigstens die letzten drei Aufgaben zu
lösen. Als es klingelte, sammelte Frau Rehder die Hefte ein.
„Kommst du mit?“ Melanie sah sie fragend an.
Finnja nickte und holte schnell ihr Brot und ihre
Trinkflasche aus dem Ranzen.
„In der nächsten Stunde haben wir Deutsch, du kannst ja
nachher den Stundenplan von mir abschreiben.“ Melanie führte Finnja über den
großen Schulhof. In der hinteren Ecke befand sich ein Spielplatz mit Sandkasten,
Balancierbalken und einem Klettergerüst.
Die neuen Klassenkameraden näherten sich Finnja und
löcherten sie mit Fragen: „Wo kommst du her?“ – „Wie heißt du?“ – „Seit wann
wohnst du hier?“ Finnja beantwortete die Fragen, so gut sie konnte. Sie hatte
das Gefühl von hundert fremden Kindern umringt zu sein. Ständig schaute sie in
ein neues Gesicht.
„Lass uns balancieren“, schlug ein Mädchen vor und einige
Kinder lösten sich aus dem Kreis. Jetzt konnte Finnja den Jungen mit dem
Stubbelhaar in einer Ecke auf einem Stein sitzen sehen. Er war da ganz allein
und machte ein trauriges Gesicht. Sicher hatte er die Arbeit verpatzt.
Als der Balancierbalken frei wurde, setzte er sich
darauf. Gleich darauf erschienen zwei kräftige Kinder und riefen ihm etwas zu.
Dann lachten sie laut.
„Wer ist das?“, fragte Finnja Melanie.
„Oh, Fabian, der ist komisch, den mag keiner. Das andere
sind Tim und Sven.“
Finnja folgte Melanie auf das Klettergerüst. Es bestand
aus einem Mast, an dem ein Gitter aus Seilen befestigt war. Geschickt kletterte
sie mit Melanie bis ganz nach oben.
„Gefällt es dir hier?“, fragte Melanie.
„Der Schulhof ist toll. Mehr kenne ich noch gar nicht.
Wir sind erst vorgestern eingezogen. Gestern haben wir eingekauft. Anschließend
haben wir das Wichtigste ausgepackt. Wir mussten die Kleidung und die
Schulsachen suchen. In meinem Zimmer stehen die Möbel, aber mein Spielzeug ist in
den Kartons.“
„Wir können zusammen zur Schule gehen, die Eichenstraße
ist ganz in unserer Nähe“, schlug Melanie vor.
„Das ist fein“, freute sich Finnja. „Dann muss ich nicht
allein gehen.“
In der nächsten Stunde hatten sie Deutsch und sie lasen
eine Abenteuergeschichte. Als Fabian dran kam, stotterte er herum, als wäre er
in der ersten Klasse. Hinten lachte jemand. Finnja drehte sich um. Tim und Sven
schnitten Grimassen und feixten.
„Das
nächste Mal übst du besser“, sagte Frau Rehder streng. Sie nahm Melanie dran,
die den Text fließend und richtig betont vorlas.
Fabian
senkte den Kopf, seine Ohren wurden ganz rot.
Nach
der letzten Stunde traf Finnja ihn an Schultor. „Ich kann auch nicht gut
lesen“, sagte sie, um ihn zu trösten.
Vor der Schule wartete Mutter und ihre Schwester Marie.
Marie ging in die erste Klasse und hatte nur vier Stunden gehabt. Fröhlich
hüpfte sie neben ihnen her. Sie durfte gleich spielen, da sie ihre Hausaufgaben
schon erledigt hatte.
„Wie
gefällt dir deine neue Klasse?“, fragte Mutter.
„Ich weiß nicht.“ Finnja schüttelte den Kopf.
„Haben
die dich geärgert?“, fragte Marie. „Meine Klassenkameraden sind nett. Ein
Mädchen hatte Gummibärchen mit und hat mir welche abgegeben.“
„Nein,
mich nicht, aber die ärgern einen Jungen. Sie lassen ihn auch nicht
mitspielen.“
„Und
wie waren sie zu dir?“, fragte Mutter.
„Nett,
sie wollten alles Mögliche von mir wissen. Ich sitze neben der Klassenbesten. Die
soll mir helfen, wenn ich irgendetwas noch nicht kann. Melanie ist nett. Sie
wohnt in unserer Nähe. Morgen wollen wir zusammen zur Schule gehen.“
„Wie
ist Melanie zu dem Jungen?“, fragte Marie.
„Sie
hat nicht mitgemacht, aber sie hat auch nicht mit ihm gesprochen.“ Finnja schob
ihre Hand in die Hand ihrer Mutter.
„Du
kannst ihn zu uns einladen. Ihr habt noch keine Spielkameraden, da ist es doch
nett, wenn ihr miteinander spielt.“
Gleich
am nächsten Tag fragte Finnja in der Pause Fabian: „Hast du Lust, nachher mit
mir zu spielen? Wenn du willst, können wir auch die Hausaufgaben zusammen
machen. Vorher darf ich nämlich nicht spielen.“
Fabian
versprach, sofort nach dem Essen zu kommen.
„Fabian
ist blöd, mit dem sprechen wir nicht“, meinte Sina, als sich Finnja auf ihren
Platz setzte.
„Und
warum?“, fragte Finnja.
„Wir
mögen ihn nicht“, erklärte Sina.
Finnja
aß noch, als es an der Tür klingelte und Fabian davor stand.
„Möchtest
du auch etwas essen?“, fragte Mutter. Sie stellte einen weiteren Teller hin.
Fabian schlug kräftig zu.
„Hast
du noch gar nichts gegessen?“, fragte Marie verwundert.
„Doch,
ich habe mir ein Brot gemacht. Meine Mutter arbeitet, deshalb essen wir abends
warm.“
Nachdem
sie den Tisch abgedeckt hatten, machten sie Hausaufgaben. Sie mussten ihren
Rechentest berichtigen. Finnja war über ihre Vier sehr unglücklich.
„Solche
Textaufgaben hast du noch nie gerechnet, dafür ist die Arbeit in Ordnung“,
tröstete Mutter sie.
Sie
half ihnen bei einigen Aufgaben. Bevor sie spielen durften, fragte Mutter außerdem
das Einmaleins ab und ließ sie vorlesen. Als Fabian den Text zum dritten Mal
las, sprach er klar und flüssig.
„Warum
übst du nicht?“, fragte Finnja.
Fabian
schaute aus dem Fenster. „Es macht keinen Spaß.“
„Aber
es ist blöd, wenn man es in der Schule nicht kann.“ Finnja packte ihre
Schulsachen in den Ranzen.
Fabian
nickte. „Meine Mutter ist abends immer zu müde, um mit mir zu üben.“
„Kann
dein Vater nicht helfen?“
„Der
wohnt woanders.“
„Dann eben am Wochenende. Am besten lernen wir
beiden miteinander.“, schlug Finnja vor.(...)
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