Klausmüller, der lebendige, kleine Stoffesel, begibt sich in
seinem zweiten Abenteuer zusammen mit der zwölfjährigen Klara und dem vierzehn
Jahre alten Joey auf die Suche nach den Verbrechern, die die alte Frau
Greismann ausgeraubt haben.
Fast scheint es, als sei die Verbrecherjagd erfolgreich, als
plötzlich eine Erpressernachricht auftaucht. Esel Klausmüller startet noch
einmal durch und eine abenteuerliche Verfolgungsjagd beginnt. Dabei erhält er
nicht nur von Klara und Joey Unterstützung, sondern ebenso von der etwas
durchgeknallten Frau Greismann und ihrer ungestümen Hündin Tessa, deren
schlabberige Hundezunge viel zu oft durch Klausmüllers Fell schleckt.
Ein Abenteuerspaß für alle, die sich gerne auf die
humorvollen Verrücktheiten eines lebendigen Stoffesels und einer alten Dame
einlassen.
Die Lesealterempfehlung liegt bei 10 Jahren und älter.
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Eine seltsame Begegnung
Stoffesel Klausmüller hüpfte über den weichen
Waldboden. Er wühlte sich durch Laubhaufen, die der letzte Herbst
zurückgelassen hatte. Hin und wieder schielte er zu Klara und Joey, die auf den
Pferden Domino und Artistin saßen. Domino und Artistin ignorierte er.
Es war noch kein Jahr her, da war der kleine
Stoffesel durch eine Ritterrüstung gerutscht. Das hatte ihn auf unerklärliche
Weise zum Leben erweckt. Seitdem sprang er durch die Gegend, liebte
Lampenschirme, wenn er auf ihnen schaukelte und Kekse, wenn sie in sein Maul geschoben
wurden. Pferde lehnte er ab. Doch leider liebte Klara sie. Und da Klausmüller
seine Klara liebte – vielleicht sogar noch mehr als Kekse – musste er sich
damit abfinden, dass auch Pferde bei ihren Ausflügen dabei waren.
Und
darum eierten jetzt zwei Pferdehinterteile vor Klausmüller her. Besonders das
Hinterteil von Domino sah sehr träge aus. Klaras Fersen stupsten immer mal
wieder gegen die Seiten des Pferdes, damit das Hin- und Herschwanken des
Pferdepos nicht ganz zum Erliegen kam. Domino war nicht immer so lahm gewesen,
doch mittlerweile war er ein ziemlich alter Opa, der das Rennen den Jungen
überließ und den nichts aus der Ruhe brachte. Sein ehemals schwarzes Maul war
weiß gesprenkelt, sein Rücken hing durch und die Unterlippe schwabbelte wabbelig
entspannt herum.
Klausmüller hingegen jagte imaginäre Schurken durch
Laubhaufen, schlich sich zwischen Bäumen entlang und schlug jeden Hasen in die
Flucht. Der Boden war weich und roch gerade jetzt in der Frühlingssonne so
herrlich nach Frische, nach Leben, nach Energie. Und die setzte Klausmüller
gerade in Riesenhüpfer um. Zwischendurch schickte er sein allerliebstes
Esellächeln zu Klara hoch.
Die
zwölfjährige Klara schielte zu Joey und war so froh, wieder hier zu sein, hier
ihre Osterferien verbringen zu dürfen, auf dem Hof ihrer Großtante Agnes. Dabei
hatte sie sich letzten Sommer erst noch geweigert, in den Ferien zu Tante Agnes
zu fahren. Doch das war vor ihrem Urlaub gewesen. Dann hatte sie ja gemerkt,
dass Tante Agnes Pferde besaß. Und wäre sie nicht hierhergekommen, wäre
Klausmüller nie durch diese Ritterrüstung gerutscht und er wäre weiterhin ein
normales Kuscheltier. Das konnte Klara sich nun überhaupt nicht mehr
vorstellen, obwohl Klausmüller oft genug so tun musste, als sei er ein
Stofftier, nichts weiter als ein Stofftier, denn Klara hatte beschlossen, dass
niemand außer ihr und Joey Klausmüllers Geheimnis kennenlernen sollte.
Joey
…, ja, den hatten sie auch hier kennengelernt, letzten Sommer, auf dem Hof von
Tante Agnes. Joey war dreizehn und er kümmerte sich um die Pferde auf Tante
Agnes’ Hof. Er war zunächst nicht so gesprächig gewesen, letztes Jahr, als
Klara ihn zum ersten Mal traf, denn er traute nicht jedem und wartete erst
einmal ab. Doch da Klara wie er die Pferde liebte und zudem seine Reitkünste
bewunderte, hatte er ihr bald ein Lächeln und einen strahlenden Blick aus
seinen einzigartig grünen Augen geschenkt. Und es hatte nicht lange gedauert,
bis Joey gemerkt hatte, dass Klaras Stoffesel alles andere als ein normales
Stofftier war.
Doch sonst wusste
niemand von Klausmüllers Fähigkeiten. Und im Wald konnte Klausmüller sich
richtig austoben, denn hier war es ziemlich menschenleer. Aber eben leider nur
‚ziemlich‘, denn einer war doch da. Ein Mensch, den weder Klara noch Joey
bemerkten. Und auch Klausmüller sah ihn nicht. Und dieser eine Mensch bemerkte
auch Klausmüller, Klara und Joey nicht – bis Klausmüller die Beine dieses
Menschen mit einem Baum verwechselte und an diesen entlangstrich.
Da war es vorbei mit der Frühlingsidylle im Wald.
Ein Spazierstock sauste durch die Frühlingsluft, traf Klausmüller und
schleuderte ihn gegen Artistins Schulter. Artistin scheute und Domino spitzte
die Ohren.
Im
ersten Moment dachte Klara, dass Klausmüller mal wieder seine Sonnenbrille vor
die Augen geschoben hätte. Die Brille hatte er letzten Sommer in einem Schuppen
gefunden. Und so unwahrscheinlich es auch klang: Diese Brille besaß magische
Kräfte. Wenn Klausmüller sie vor die Augen schob, konnte es passieren, dass er
unkontrolliert durch die Luft sauste. Doch diesmal hatte er seine Sonnenbrille
noch hinter den Ohren sitzen und er flog auch nicht hin und her wie ein
Pingpong-Ball, sondern prallte nur einmal gegen Artistin und trudelte dann zu
Boden. Dort versank er in einem Blätterhaufen. Aus diesem stöhnte es jetzt und
zwei Eselohren kamen zum Vorschein. Dann wabbelte der Haufen hin und her und
Klausmüller tauchte wieder auf.
„Klausmüller!“,
rief Klara, „Was machst du da?“
Doch
dann schaute sie nach rechts, dahin, wohin auch die Pferde ihre Hälse bogen.
Und sie entdeckte ihn, den Menschen. Er war eine Frau. Eine alte Frau. Eine
sehr alte Frau.
Sie stand da, neben
einem Baum, in der rechten Hand einen Stock, der auf Klara, Joey und die Pferde
zielte. Die Beine standen so weit auseinander, dass der graue Rocksaum sich um
die kurzen, knorpeligen Beine spannte. Man sah zwar, dass sie schon etliche
Lebensjahre auf dem Buckel hatte, doch ihre drohende Haltung und ihr auf die
Kinder gerichteter Spazierstock drückten eine gewisse Kampfbereitschaft aus. Klausmüller
spürte die Prellung an seiner Schulter und wusste, dass die Oma durchaus bereit
war, ihre Kampfbereitschaft in einen Kampfeinsatz umzuwandeln.
Klausmüller,
Klara und Joey starrten auf die Kampfomi, die ebenso zurückstarrte. Das weiße
Haar hing der Frau etwas wirr ins Gesicht und die Brille saß ziemlich schräg
auf einer kleinen Kartoffelnase. Mit gerunzelter Stirn fixierte ihr Blick Klara
und Joey. Klara bewegte sich als Erste wieder.
„Guten
Tag“, sagte sie und nickte der alten Frau zu.
Daraufhin
senkte diese ihren Stock, trat einen Schritt vor und sagte: „Oh wie schön,
Kinder mit Pferden! Das sieht man auch selten.“
„Alte Frauen, die so
tun, als ob sie alte Bäume wären und dann zuschlagen, sieht man noch seltener.“
Das war Klausmüller. Er pustete gerade ein letztes Laubblatt von seinem Fell.
Klara blieb die Spucke weg. Hatte Klausmüller sie
noch alle? Er konnte doch nicht einfach fremde Leute anquatschen! Wo blieb da
seine Ganz-normales-Stofftier-Tarnung? Klara warf Klausmüller einen strengen
Blick zu, doch Klausmüller schaute nicht zu ihr. Er behielt die alte Frau im
Blick, die jetzt auf ihn zukam. Klausmüller zog sich zurück – zwei Schritte.
Klara wartete auf den Aufschrei der alten Dame – oder würde sie gleich wieder
ihren Stock einsetzen, um das sprechende Stofftier aus ihrem Umkreis zu
katapultieren?
Die
Frau beugte sich mit ihrem eh schon ziemlich runden und schiefen Rücken noch
tiefer runter, reckte ihr Kinn weit nach vorne zu Klausmüller und schob mit der
stockfreien Hand ihre schief sitzende Brille zurecht. Klausmüller stand still.
Nur sein Oberkörper schob sich nach hinten, seine Lippen zogen sich über die
Zähne ins Maulinnere. Auweia.
„Es
muss Ihr Fell gewesen sein, das mich erschreckt hat.“ Sie richtete sich
etappenweise und mit ihren Händen auf den Stock gestützt wieder auf, so weit,
wie ihre schiefen Knochen das zuließen. „Sie sind an meinen Beinen
herumgestrichen, als ich gerade ein wenig geschlafen habe.“
„Sie
schlafen im Stehen?“ Joey zog die Augenbrauen zusammen. „Im Wald?“
Er
hatte schon viele Märchen gehört, von seinem Vater zum Beispiel, wenn der mal
wieder in die Werkhalle entschwand, in der ihr Kirmeskarussell stand – ein
Kinderkarussell mit bunten Autos und vielen Knöpfen zum Hupen, Tuten und
Sirenenabspielen. Joeys Vater bastelte dann angeblich an neuen Autos herum, um
das Karussell attraktiver zu machen, doch Joey wusste, dass sein Vater das
eigentlich schon längst aufgegeben hatte und sich dorthin nur noch zurückzog,
um eine Flasche Alkohol aus der Werkzeugkiste zu holen und dann stundenlang
dort rumzusitzen und nichts zu tun, außer die Flasche hin und wieder anzuheben.
Dabei hatte Joey als kleiner Junge immer darauf gewartet, dass sein Papa eines
Tages mit dem Superkarussell auftreten würde. Doch das Karussell blieb immer gleich,
sein Vater hingegen stolperte abends durch die Wohnung, roch unangenehm und
sprach so undeutlich, dass Joey seine Worte kaum verstand. Eines Tages hatte
Joey ihn beobachtet. Stundenlang. Danach wusste er, dass er längst nicht alles
glauben sollte, was man ihm so sagte.
Und
genauso wenig glaubte er dieser alten Frau die Geschichte vom Mittagsschlaf im
Wald.
„Ja“,
untermauerte die alte Dame ihre Aussage nun, „für gewöhnlich natürlich nicht.
Doch wenn man schon so lange wie ich unterwegs ist, dann kann es schon mal
vorkommen, dass man sich ein wenig ausruhen möchte.“
„Wohin
sind Sie denn unterwegs?“, fragte Klara.
„Na,
nach Hause, mein Kind.“
Sie
beugte abermals ihren Rücken tief hinab. Ihre beiden Hände stützen sich auf
ihren Spazierstock, sodass sie aussah wie eine Hängebrücke, nur dass ihr Rücken
nicht wirklich durchhing, sondern sich buckelig nach oben wölbte. Dann löste
sie die rechte Hand von ihrem Stock und hielt sie Klausmüller entgegen.
„Greismann“,
sagte sie, „Elfriede Greismann, sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.
Leider stinken Sie ein wenig.“
„Klausmüller,
einfach Klausmüller“, sagte Klausmüller und legte seinen Huf in die runzelige
und etwas starre alte Hand. „Ich stinke kein Stück und Sie sind etwas schief
gebaut.“ Er ließ seinen Blick über Frau Greismanns Äußeres gleiten.
„Klausmüller“,
sagte Klara. Doch Frau Greismann schien Klausmüllers Äußerung zu ihrer
Schieflage nicht zu stören.
„Na,
dann ist ja alles klar“, sagte sie und richtete sich wieder auf. Dazu stemmte
sie sich mit der linken Hand auf ihren Stock und hielt ihre rechte Hand an ihre
Hüfte. Zentimeter für Zentimeter schraubte sie sich in ihre aufrechte
Ausgangsposition zurück. „Ihr habt einen stinkenden Esel und ich habe mich
verlaufen. Wisst ihr zufällig, wie ich zu meiner Wohnung zurückkomme?“ Sie
blickte jetzt Klara fest in die Augen. Ihre Brille hatte wieder eine Schieflage
eingenommen, als wolle sie die Schrägstellung des Rückens nachahmen.
„Wo
wohnen Sie denn?“, fragte Klara und dachte darüber nach, ob es wohl noch mehr
sprechende Stofftiere gibt, da die alte Frau Klausmüller einfach so hinnahm,
als wäre er nicht ungewöhnlich.
„In
der Birkenallee 72“, sagte Frau Greismann und kratzte sich an der Stirn, „oder
71.“
„Wissen Sie was? Wir
begleiten Sie“, sagte Klara, stieg von Domino herunter und nahm Dominos Zügel
in die Hand. Schon stapfte sie neben Frau Greismann durch das alte Laub. Joey
und Klausmüller schauten sich kurz an und marschierten dann hinterher.
Frau
Greismann plauderte davon, dass sie eigentlich nur kurz aus dem Haus gegangen
sei, weil ja vorher diese zwei Männer bei ihr gewesen wären. Die hätten bei ihr
geklingelt und gefragt, ob sie ihr Badezimmer benutzen dürften. Der eine musste
sich die Hände waschen, weil er Diabetes hatte und es Zeit war, sich in den
Finger zu piksen, um die Blutwerte zu messen. Und davor mussten die Hände
gewaschen werden. Frau Greismann hatte die beiden Männer hereingelassen. Sehr
nette Männer übrigens. Und als sie wieder weggingen, hatte der mit dem Diabetes
sein Messgerät vergessen. Und da hatte Frau Greismann sich Sorgen gemacht. Das
Messgerät, das musste der doch haben, oder? Der arme Mann. Der konnte ja nun
nicht mehr sein Blut fragen, ob es noch mit genügend Zucker vorsorgt war. Das
ging doch nicht. Sie nahm das schwarze Gerät in ihre Hände und drehte es ein
paar Mal unschlüssig hin und her. Und dann ging sie raus, den beiden Männern
hinterher. Doch die waren zu schnell, die waren so rasch in eine Nebenstraße
gehuscht und dann in einem Auto entschwunden, dass Frau Greismann nur noch mit
ihrem Stock hinterherwinken konnte. Und selbst das hatten die Männer wohl nicht
bemerkt. Und so stand Frau Greismann schließlich alleine da. Sie drehte sich um
und ging nach Hause. Das war zumindest der Plan. Doch mit einem Mal kam ihr
alles so unbekannt vor. Da musste sie sich wohl verlaufen haben.
„Und
wo ist das Messgerät jetzt?“, fragte Joey.
Frau
Greismann packte sich vor die Brust und drehte sich zu Joey um. „Nanu“, sagte
sie, „das habe ich mir um den Hals gehängt. Das war in so ’ner Tasche. Komisch.
Das muss ich wohl verloren haben.“
Frau Greismann zuckte mit den Schultern und stapfte
weiter. Joey warf erst Klara und dann Klausmüller einen vielsagenden Blick zu.
Wenigstens Klausmüller schien mit ihm übereinzustimmen. Die Alte hatte doch
einen Tick.
„Klausmüller – Ein Esel
auf Verbrecherjagd“ ist der zweite Band aus der Klausmüller-Reihe von
Pebby Art. Bereits in „Klausmüller – Ein Esel sucht ein Pferd“ hat Pebby
Art dem kleinen Stoffesel Leben eingehaucht.
Weitere Bücher von ihr sind „Auf und weg!“ und „Lieber Gott, wo steckst denn du?“.
Pebby
Art hat ein literaturwissenschaftliches Studium absolviert. Sie ist
verheiratet, hat drei Kinder, ein Pferd und eine Katze.
Und
damit das Schreibfieber im Umlauf bleibt und auch der Zeichenstift
nicht zu kurz kommt, unterstützt sie als Dozentin Schreib- und
Zeichenbegeisterte.
Mehr zur Autorin:
www.plus.google.com/PebbyArt
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