Für Lena ist es ein Dauerzustand, sich über ihren jüngeren Bruder Jan zu
ärgern. Er bringt nicht nur seltsame und gefährliche Dinge mit nachhause,
sondern lässt auch ihre Sachen immer wieder verschwinden. Auf der Suche nach
ihren Puppen nimmt sie sich eine Taschenlampe zu Hilfe, die ihr Bruder irgendwo
gefunden hat.
Unglücklicherweise verfrachtet diese Lampe alle angeleuchteten Dinge auf
den Planeten Himmelblau. Klar, dass Lena sich versehentlich auch dorthin
befördert – und prompt von fiesen Zwergen entführt wird.
Der Elfenjunge Purzel hat das aus der Ferne beobachtet. Er holt Michael
und dessen Freund Tim für eine Rettungsmission von der Erde. Aber sie kommen zu
spät. Die Zwerge haben Lena schon an die Piraten verkauft und mit ihrem Schiff
segeln sie zur dunklen Seite des Planeten in die gefährliche Bärenstadt. Wird
es den Kindern gelingen, Lena zu befreien?
Kinder ab 6
Jahren
1.1 Leseprobe
Das Zepter
Am Fuße eines Feuer spuckenden Vulkans liegt die gewaltige Bärenstadt. In
ihrem Herzen ist ein großer Platz mit einer uralten Eiche und ganz in der Nähe
ist ein Kindergarten.
Dort arbeitet die Bärin Mala. Sie ist 62 Jahre alt, hat hellbraunes Fell
und trägt ein rosafarbenes Sommerkleid. In ihrer Zeit als Erzieherin hat sie
viele Bären aufwachsen sehen. Sie ist einen Kopf größer als die Kinder und sehr
beliebt, auch bei der 5-jährigen Sali.
Sali hat dunkelbraunes Fell und eine für ein Bärenmädchen besonders süße
Stupsnase. Sie ist ungefähr so groß wie ein 3-jähriges Menschenkind. Passend zu
ihren Augen trägt sie ihre neue, blaue Hose, mit der sie auf jeden Baum
klettern kann. Sie glaubt fest daran, dass sie ihr Glück bringen wird.
Sali und die anderen Bärenkinder sitzen im Lesezimmer auf einem
kuschelweichen braunen Teppich im Kreis. Durch ein offenes Fenster weht frische
Meeresluft hinein und man hört leises Wellenrauschen. An den Wänden stehen
Regale, die voll mit bunten Bilderbüchern sind. Die kleinen Bären staunen über
das, was Mala heute mitgebracht hat. Es ist ein langer Holzstab mit einem
leuchtenden Kristall an der Spitze. Der Stab liegt direkt vor ihnen auf dem
Teppich.
"Zaubermeister Bärlo war so freundlich und hat uns sein Zepter
ausgeliehen", sagt Mala. "Er wird uns von seinem abenteuerlichen
Leben berichten. Bis er kommt, erzähle ich eine Geschichte." Sie hat ein
dickes, schweres Buch auf dem Schoß und schlägt eine Seite auf.
"Es war einmal eine junge Frau von der Erde", liest sie vor.
"Das Schicksal meinte es nicht gut mit ihr, denn eines Tages verschwanden
ihr Sohn und ihre Tochter. Es hieß, sie seien gestorben."
Die Bärenkinder rutschen näher an Mala heran und hören aufmerksam zu.
"Die Frau zweifelte aber daran und so machte sie sich auf die Suche
nach ihren Kindern. Dabei fand sie einen Stein, dem man magische Kräfte
nachsagte. Die Menschen glaubten, er könne Wünsche erfüllen."
Sali reckt den Arm in die Höhe und fragt: "War das ein
Zauberkristall wie dieser hier?" Sie zeigt auf den funkelnden Kristall des
Zepters.
"Ja", antwortet Mala. "Bärlo wird euch gleich alles
darüber erzählen." Mala rückt sich ihre gelbe Brille zurecht. "Beim
Versuch, ihre Kinder mithilfe des Steins zu finden, landete sie auf unserem
grünen Mond. Seitdem liegt sie dort in tiefem Schlaf. Ihr seht also, wie
gefährlich die Zauberei ist, wenn man sie nicht gelernt hat."
Sali hebt wieder die Pfote und fragt: "Warum weckt sie denn niemand
auf?"
Bevor Mala antworten kann, fliegt die Tür auf und ein erwachsener Bär
stürmt in das kleine Lesezimmer hinein. Er trägt eine rote Augenklappe und
richtet seinen Krummsäbel auf die am Boden sitzende Erzieherin. Dabei schreit
er: "Ich nehme dieses Zepter in meinen Besitz."
"Das wirst du nicht tun", entgegnet Mala und legt das Buch auf
den Teppich. Sie nimmt den Stab und schlägt den Säbel damit zur Seite. Dann
steht sie auf und stellt sich schützend vor die Kinder. Mit ihren braunen Augen
funkelt sie den Bären herausfordernd an.
"Geh da weg", brüllt der Bär und fuchtelt mit dem Säbel vor ihr
herum. "Ich bin der schreckliche Pirat Obertatze!"
"Hm", brummt Mala und der Bär sieht sie verunsichert an. "Du
bist doch der kleine Pupu", sagt sie plötzlich. "Du hast schon als
Kind den anderen ihre Spielzeuge weggenommen. Es wundert mich nicht, dass du
ein Pirat geworden bist."
"Ich heiße nicht ... so, wie du gesagt hast", stammelt
Obertatze verlegen.
"Doch", entgegnet Mala, "du bist der kleine Pupu
Pummeldösel aus der Mondscheingasse 6."
Die Kinder fangen an zu tuscheln und zu kichern, einige lachen sogar
laut. Nur Sali schaut ihn wütend an. Wie kann er es wagen, uns zu überfallen,
denkt sie empört.
Der Pirat senkt langsam seinen Säbel und weicht ein paar Schritte zurück.
Plötzlich kommt ein weiterer, größerer Bär herein. Er trägt eine rote Jacke mit
goldenen Tatzen auf den Schultern und sein Säbel ist etwas länger.
"Kapitän Urs", ruft Obertatze überrascht.
"Muss man denn alles selber machen?", brummt der Kapitän
wütend. "Ich werde mir noch einmal überlegen, ob du bei uns mitmachen
darfst." Dann sieht er Mala herausfordernd an. "Gib mir das Zepter
und wir lassen euch in Ruhe." Sein Säbel zeigt drohend in ihre Richtung.
"Niemals werdet ihr einen magischen Kristall in euren Besitz
bekommen, ihr gemeinen Piraten", ruft sie wütend. Ganz unerwartet macht
der Kapitän einen Satz nach vorne und schnappt sich das Zepter. Dabei verliert
Mala das Gleichgewicht und stürzt auf den Boden. "Aua", stöhnt sie
und reibt sich mit der Pfote den schmerzenden Po.
"Nein!", schreit Sali und springt auf. Sie greift nach dem
Zepter und zerrt daran. "Verschwindet", brüllt sie. In ihren blauen
Augen spiegelt sich der Kristall, der nun selbst blau leuchtet. Obertatze nimmt
respektvoll Abstand von der Zepterspitze, die immer heller strahlt. Kapitän Urs
hingegen versucht, das Mädchen in die Ecke zu drängen.
"Lass uns in Frieden", schreit Sali wütend. Sie sucht nach dem
schlimmsten Schimpfwort, das sie kennt und sie wählt die abscheulichste
Kreatur, die ihr einfällt: "Verschwinde, du ... du gemeiner Hase!"
In diesem Augenblick leuchtet der Kristall so hell auf, dass alle ihre
Augen verdecken müssen. Als sie wieder sehen können, sitzt neben Obertatze ein
weißes Häschen auf dem Boden.
"Was ist denn hier passiert?", fragt ein alter Bär in einem
braunen Umhang. Er steht in der offenen Tür und schaut verwundert zwischen Sali
und dem Hasen hin und her.
*
Mala und die Kinder haben mittlerweile den Leseraum verlassen. Auch
Obertatze hat sich seinen Kapitän geschnappt und ist verschwunden. Der
Zaubermeister Bärlo sieht nachdenklich aus dem Fenster und streicht sich dabei
über seinen langen grauen Bart. Mit der anderen Pfote stützt er sich auf sein Zepter.
Sali steht neben ihm und hat Angst. Ist er vielleicht böse, weil sie ohne
Erlaubnis gezaubert hat? Wird er sie bestrafen? Plötzlich dreht er sich um und
schaut ihr direkt in ihre blauen Augen.
"Du bist ein wirklich mutiges Kind", sagt er. "Du kommst dieses
Jahr in die Schule und musst dich entscheiden, was du später werden willst.
Möchtest du vielleicht Zauberin werden? Dann wäre ich sehr gerne dein
Lehrer."
"Ich? Eine Zauberin?" Sali ist verblüfft. "Aber ich bin
doch nur ein Mädchen."
"Soll ich dir ein Geheimnis verraten?", flüstert Bärlo und Sali
nickt. "Mädchen können ganz toll zaubern und du bist sehr begabt."
Als ihre Mutter sie vom Kindergarten abholt, ist Sali voller Freude. Ja,
sie wird einmal eine Zauberin. Vielleicht kann sie dann sogar diese Frau auf
dem Mond aufwecken und ihr helfen, ihre Kinder zu finden.
Die 11-jährige Lena und ihr 9-jähriger Bruder Jan wohnen am Stadtrand von
Immergrün. Vor sechs Jahren verschwanden ihre Eltern aus ungeklärten Gründen
und seitdem leben die Kinder bei ihrer Tante Elisabeth. Lena erinnert sich kaum
an ihre Eltern, aber etwas von ihrer Mutter ist ihr geblieben: ihre drei heiß
geliebten Puppen. Die Puppen sitzen normalerweise friedlich auf einem Regal über
Lenas Schreibtisch. Doch nun sind sie verschwunden.
*
Lena ist in ihrem Zimmer und durchwühlt aufgeregt Schränke und
Schubladen. Sie vermutet Jan als Bösewicht. Wenn irgendetwas verschwindet oder
kaputt geht, dann steckt meist ihr kleiner Bruder dahinter. Schon oft hat er
ihr Spielzeug einfach genommen, ohne zu fragen. Aber was hat er mit ihren
Puppen gemacht? Jan hasst Puppen. Lena kriecht unter ihr Bett, um dort
nachzuschauen. Dabei rutscht ihre Brille von der Nase. Da sie stark kurzsichtig
ist, kann sie nichts mehr erkennen und schiebt die Brille versehentlich noch
weiter nach hinten. Sie robbt zurück und steht auf. "Ich brauche eine
Taschenlampe", ruft sie und weiß auch sofort, wo sie eine findet.
"Jan", brüllt sie durch die Wohnung. Sie geht zielstrebig den
Flur entlang auf sein Zimmer zu. Die Tür ist offen, aber von Jan gibt es keine
Spur. Tante Elisabeth und Jan sind also schon auf dem Weg zur Schule, denkt
Lena. Schön, dass ich heute erst zur dritten Stunde muss.
Jan spielt doch in der letzten Zeit immer mit diesem bunten Ding herum,
grübelt sie. Und da ist sie schon: Jans Taschenlampe. Sie nimmt die Lampe,
läuft in ihr Zimmer zurück und robbt unter das Bett. Sie drückt auf den
Einschalter und erkennt im Lichtschein undeutlich ihre Brille, die sich mit
einem "Peng" vor ihren Augen in Luft auflöst.
Lena zuckt erschrocken zusammen. "Was war denn das?", ruft sie
verblüfft. Mit gerunzelter Stirn betrachtet sie die Lampe und schaut ins Licht.
Ihr wird schwindlig und alles um sie herum scheint sich zu drehen. Sie sieht
verschwommene bunte Flecken und ihr wird übel.
Nach einer Weile bemerkt sie, dass sie auf etwas Grünem mit Stacheln
liegt. Sie erkennt es als Rasen. Dann guckt sie genauer hin und entdeckt ein
vierblättriges Kleeblatt. Und daneben noch eins. Und noch eins. "Das
gibt‘s ja nicht!", ruft sie verwundert. "Jetzt muss ich ja viel Glück
haben."
Über den Autor
Karim Pieritz lebt
mit seiner Familie in Berlin. Als sein Sohn in den letzten Jahren immer wieder
neue Abenteuergeschichten von ihm hören wollte, weckte das seine Inspiration.
Schon beim ersten Buch war ihm klar gewesen, dass er nicht nur eine einzige Geschichte
erfunden hatte. Er hatte ein lebendiges Universum voller Magie vor sich, welches
sich ständig weiter entwickelte. Das Ergebnis war die Kinderbuch-Reihe „Leuchtturm der Abenteuer“ für Kinder ab 6
Jahren.
Autoren-Blog: www.karimpieritz.de
Kinderbuch- Seite: www.leuchtturm-abenteuer.de
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