Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren
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Dienstag, 4. Juli 2017

„Keylam und der Stachel des Bösen“ von Anne Schmitz



Klappentext:
Das prasselnde Kaminfeuer taucht die Wohnhöhle des Zauberers in ein geheimnisvolles Licht.   
„Dann erzählt mal!“ Zauberer Nu lehnt sich in seinem Ohrensessel zurück und deutet auf zwei große, weiche Sitzkissen, die vor dem Kamin liegen. Keylam und Saomi machen es sich bequem.
„Eigentlich wollten wir zu den Elfen, um ein magisches Band aus Elfenhaar zu besorgen …“, beginnt Keylam.
„Doch wir gerieten in eine Falle …“, unterbricht ihn Saomi.
„Eigentlich waren es zwei Fallen!“, ergänzt Keylam.
„Ein oder zwei, das macht doch keinen Unterschied. Es war auf jeden Fall sehr gefährlich!“
„Gefährlich? Nachher wurde es erst richtig gefährlich, als wir den Drachen …!“
„Stop, Stop, Stop! Ich verstehe kein Wort!“, Zauberer Nu hebt abwährend die Hände. „Jetzt mal langsam und bitte immer der Reihe nach.“
Keylam und Saomi sehen sich an und müssen lachen. Saomi nickt Keylam zu: „Fang du an!“
„Also, alles begann damit, dass wir auf der Klippe den Steingong geschlagen haben …!“
Erhältlich bei Amazon.

Leseprobe:

Skarkoroks Festung

Romi sauste mit rasender Geschwindigkeit durch das Nadelgebirge. Die kleine Fledermaus wich den spitzen Gipfeln aus, tauchte in die Schluchten und Täler ab, immer bedacht darauf, im Schatten zu fliegen. Skarkoroks Späher konnten überall sein! Der böse Zauberling ließ alle gefangen nehmen, die es wagten, seiner Festung zu nahe zu kommen.
Obwohl Romi sich gerne in dunklen Höhlen und Gemäuern aufhielt, lief ihr ein Schauer über den Rücken, wenn sie an Skarkoroks Verliese tief unter seiner Festung dachte.
Jetzt konnte sie schon die Aschewolken und die glühende Lava des Vulkangebirges sehen. Es war nicht mehr weit! Skarkoroks Festung lag zwischen dem Nadel- und dem Vulkangebirge. Vor langer Zeit hatten viele fleißige Berglinge in einen der Nadelberge Gänge und Tunnel, Kammern und Hallen gegraben. Darin war es kalt. Die Wände und der Boden waren feucht. Der Geruch von Fäulnis lag in der Luft und schauerliche Geräusche durchbrachen immer wieder die Stille.
Romi hatte die Festung erreicht. Vorsichtig flog sie durch eine kleine Öffnung in einen der düsteren Gänge. Still und unbemerkt hängte sie sich an einen Felsvorsprung, von dem aus sie in den Thronsaal schauen konnte. Eben betrat Skarkorok den Raum.     
„Feuersturm! Steh auf! Du sollst mich ins Vulkangebirge fliegen!“, brüllte der Zauberling. Es war noch früh am Morgen und er hatte schlecht geschlafen. Immer wieder waren ihm die Ereignisse des letzten Tages durch den Kopf gegangen. Dieser Tallingjunge hatte es gewagt, sich ihm, dem großen Zauberling Skarkorok, in den Weg zu stellen. So etwas hatte es noch nie gegeben! Skarkorok spürte, wie neuer Zorn in ihm aufstieg. Er musste sich rächen! In der Nacht hatte er überlegt, was er diesem kleinen Talling antun könnte. Es sollte eine besondere Gemeinheit werden, etwas, von dem das ganze Tallingtal noch ewig sprechen würde. Alle sollten erzittern und dann würde es keiner mehr wagen, sich gegen ihn aufzulehnen!
Skarkorok beschloss, ins Vulkangebirge zu reisen. Zwischen den brodelnden und Feuer speienden Bergen lebten die außergewöhnlichsten, unheimlichsten und grandiosesten Kreaturen – und die bösesten.
Dort werde ich mir Hilfe holen, dachte der Zauberling und rieb sich voller Vorfreude die Hände. Dann trat er neben seinen Drachen. Dieser lag vor dem großen Kamin, in dem ein wärmendes Feuer loderte.
„Steh auf!“, fuhr Skarkorok den Drachen erneut an und trat ihm gegen das Bein. Feuersturm hob schwerfällig seinen gewaltigen Kopf vom Boden, ließ ihn aber schnell wieder sinken. Er war krank. Dem sonst so majestätischen und kraftvollen Drachen ging es schlecht, sehr schlecht. Er musste ständig husten, seine Nase lief. Er war unendlich müde und fror entsetzlich. Er hatte die schlimmste Krankheit, die ein Drache bekommen konnte: Sein Drachenfeuer war erloschen. In diesem Feuer lag die ganze Magie und die Kraft der Drachen und ohne es waren sie schwach, müde und hilflos.
Feuersturm schlotterte vor Kälte am ganzen Leib. Seine orangeroten Schuppen klackerten leise gegeneinander. Ärgerlich versuchte er eine Feuerflamme zu spucken, aber nur kleine weiße Wasserdampfwölkchen kamen aus seinen Nüstern. Skarkorok schrie: „Steh auf, du Faulpelz! Du gehörst mir! Du tust, was ich sage!“
Feuersturm hätte gerne getan, was Skarkorok von ihm verlangte – auch er wollte es dem Tallingjungen heimzahlen, – doch er war zu krank. Er drehte seinen Kopf auf die andere Seite und schloss die Augen.
Fluchend wandte der Zauberling sich von seinem Drachen ab.
Sollte er mit dem Besuch im Vulkangebirge warten, bis Feuersturm wieder auf den Beinen war? Nein!
„Ich werde zu Fuß gehen! Ich nehme die Abkürzung durch die unterirdischen Tunnel. Zerda, zu mir!“ Seine Helferin, die Spinne Zerda, war etwa so groß wie ein Hund. Sie hatte auf einem gepolsterten Hocker neben Skarkoroks Thron geschlafen. Jetzt sprang sie auf und kam auf den Zauberling zu. Neben Skarkorok blieb sie stehen, machte ihre acht behaarten Beine lang und ließ sich von ihrem Herrn den borstigen Rücken kraulen.
„Zerda“, sprach er zu ihr, „ich habe eine Aufgabe für dich!“
Und zu Feuersturm gewandt sagte er in einem rauen Ton: „Ich bin in ein, zwei Tagen zurück! Sieh zu, dass du bis dahin wieder fliegen kannst, sonst wirst du meinen ganzen Zorn zu spüren bekommen!“
Skarkorok und Zerda verließen den Thronsaal. Feuersturm blieb schlotternd und erschöpft vor dem Kamin liegen.
Romi, die genug gehört hatte, machte sich eilig auf den Rückflug zum Einsamen Berg.

Beim Zauberer
„Aufwachen! Na los!“
Keylam öffnete ein Auge, schloss es dann schnell wieder und drehte sich auf die andere Seite.
„Aufstehen, hab ich gesagt!“ Saomi versuchte nun schon seit geraumer Zeit, ihren Freund zu wecken. Jetzt hatte sie eine neue Idee. Sie beugte sich langsam über sein Ohr und flüsterte: „Wenn du nicht bald aus dem Bett kommst, werde ich eine Ladung Felsenspucke holen und sie dir ins Gesicht klatschen!“
Keylam setzte sich ruckartig im Bett auf. Felsenspucke war das Widerlichste, was er sich vorstellen konnte. „Bin ja schon wach“, grummelte er verschlafen.
 Schon ist gut“, erwiderte Saomi, „wir haben bald Mittag!“
Keylam stieg aus dem Bett und zog sich an, eine dunkelgrüne Hose und ein hellbraunes Hemd sowie knöchelhohe Schuhe, die vorne spitz zuliefen. Mit beiden Händen fuhr er sich durch die strubbeligen Haare, allerdings ohne sichtbaren Erfolg. Während er seine Gürteltasche um seinen Oberkörper band, sah er sich in der Wohnhöhle von Zauberer Nu um. Sie war geräumig und gemütlich eingerichtet. Es gab einen Kamin, in dem ein Feuer brannte, einen Ohrensessel und zwei Betten. Von dem einen hatte Keylam sich gerade erhoben, in dem anderen hatte Saomi übernachtet. Im hinteren Teil der Höhle stand ein Schrank. Ein Vorhang verbarg den Eingang zu einem Tunnel. In der Mitte befand sich ein großer, runder Tisch mit vier Stühlen. Auf einem hatte Saomi Platz genommen, auf einem anderen saß der Zauberer. Romi hing kopfüber von der Decke und schlief. Sie war schon vor einiger Zeit zurückgekehrt und hatte dem Zauberer Bericht erstattet. 
Nu lächelte Keylam an. „Guten Morgen!“, sprach er mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. „Bist du ausgeruht?“
„Ja“, antwortete Keylam. Sein Blick fiel auf den gedeckten Tisch. Er hatte Hunger!

Vita
Die Autorin wurde 1978 in einer Kleinstadt des Bergischen Landes geboren. Hier verlebte sie ihre Kindheit und Jugend. Ende der 1990er Jahre zog sie nach Köln, wo sie eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin absolvierte. Seit der Geburt ihres ersten Sohnes kümmert sie sich um die Belange ihrer Familie. Sie lebt heute mit ihrem Mann und drei Kindern in der Nähe von Köln.
„Mama, erzähl uns noch eine Geschichte!“, so tönt es jeden Abend aus drei Kehlen. Nachdem die Autorin einige Jahre ihre Geschichten mit ihren Kindern geteilt hat, verschriftlichte sie „Keylam: Die Ankunft“ und veröffentlichte am 01.03.2016 ihr Debüt, einen Fantasy Roman für Kinder. „Keylam und der Stachel des Bösen“ folgte Ende 2016. Ein dritter Band wird 2017 die Trilogie komplettieren.
Anne Schmitz verfasst außerdem Kurzgeschichten für Jugendliche und Erwachsene. Ihre Kurzgeschichte „DreamLife – Lebe deinen Traum!“ erreichte beim Autorenwettbewerb „Wenn ihr wüsstet …“ den ersten Platz.

Freitag, 3. Juli 2015

„Der Sänger“ von René Deter



Klappentext:

Die Welt der Märchen ist eine ganz besondere. Seit Jahrhunderten begeistern sich Menschen für zauberhafte Geschichten. 

Der Autor des vorliegenden Buches erzählt in 11 liebevollen Märchen über verwunschene Drachen, bösen und guten Zauberern, Menschen mit besonderen Begabungen, hilfreichen Zwergen, Geistern und Feen und zauberhaften Begegnungen. 

Lassen Sie sich in das Reich der Fantasie entführen und genießen Sie die vorliegenden Märchen. Oder lesen Sie Ihren Kindern und Enkel aus dem Buch vor. Es wird sie begeistern ... 

Erhältlich als Taschenbuch bei Amazon und beim Verlag. Ebenso das Ebook, es ist aber auch in allen anderen bekannten Ebookshops verfügbar.



Leseprobe:

Vom kleinen Franz  (ein komplettes Märchen aus dem Buch)

Es lebte einmal am Rande eines finsteren Gebirges eine arme Familie. Der Vater verdingte sich mehr schlecht als recht als Holzknecht, die Mutter wusch die Wäsche anderer Leute. Und da war da noch ihr Bübchen Franz, dass seinen Eltern half, wo immer er es mit seinen noch ganz jungen Jahren nur konnte.
Er war trotz der schweren Verhältnisse ein rechter Sonnenschein und sah immer nur das Gute und Positive, doch nur selten konnte er Vater und Mutter ob des harten Loses aufmuntern.
Meist kümmerte sich Franz darum, dass genug Reisig für das Feuer in der Hütte da war, denn das konnte er mit seinen kleinen Händen gut tragen, da es nicht zu schwer war.
So kam die arme Familie durch das Leben. Jeder hatte seine Aufgabe und sorgte dafür, dass ihr kleines Familienglück trotz aller Widrigkeiten erhalten blieb.

***

Es war wieder Winter und darum umso wichtiger, genügend Holz und Reisig für das Feuer zu haben. Franz strengte es sehr an, durch den recht tiefen Schnee zu stapfen und im Wald des Gebirges nach Reisig zu suchen. Doch es war nun einmal seine Aufgabe und er wollte Vater und Mutter nicht enttäuschen.
Aber dieses Mal lag so viel Schnee, dass er sämtliches Reisig überdeckt hatte. Nur in den tiefsten Wäldern würde weniger Schnee zwischen den Bäumen liegen, um Reisig zu finden.
Deshalb wagte sich Franz viel weiter in den finsteren Wald des Gebirges hinein als je zuvor. Schließlich wurde das Holz dringend gebraucht. Er suchte und suchte, fand jedoch kaum etwas. Es war zum Verzweifeln. Franz war den Tränen nah.
So konnte er doch nicht unter die Augen seiner Eltern treten. Nur ein ganz mageres Büschel hatte er zusammensammeln können. Das reichte kaum für einen halben Tag.
Aber was sollte er machen? Es war einfach nichts zu finden.
In dem Moment fing ein schweres Schneegestöber an und nahm dem kleinen Junge jede Sicht. Zudem verwische der neue Schnee immer mehr die Spuren, die er hinterlassen hatte.
Und es kam, dass Franz den Weg verlor und sich im dunklen Wald des Gebirges verirrte.
Da setzte er sich an einen Baum und fing an zu weinen.
„Was soll nun werden, was soll nun werden.“ Er hatte alle Hoffnung verloren.
Immer wieder sagte er das Gleiche und wurde dabei durch den fallenden Schnee, die Kälte der Luft und des Bodens, die langsam in ihn hinein kroch, schwächer und schwächer.
Den kleinen starken Franz, der so fleißig war, schien das Leben zu verlassen. Schließlich hörten die Worte auf und er sackte in sich zusammen.
Als er schon fast in den Tode hinüber gedämmert war, da packten den Jungen auf einmal zwar kurze, aber starke Arme und trugen ihn davon. Der Junge bekam es jedoch nicht mehr mit.

***

Was war das?
Als Franz erwachte, lag er auf bequemen Fellen und es war pummelig warm.
Aber, wie konnte das sein? Eben noch war er draußen im kalten Winterwald auf der Suche nach Reisig und nun lag er so bequem, wie es nicht einmal zuhause war.
Franz öffnete die Augen und erblickte Wände aus Stein, die von Fackeln beleuchtet waren.
Wo war er denn nur? Das war doch kein menschliches Haus, schon gar nicht die elterliche Hütte.
Er drehte sich zur Seite und blickte in das Gesicht einer gütlich dreinschauenden, aber recht klein geratenen Frau.
„Oh, unserer kleiner Junge erwacht“, stellte jene fest.
„Ein Wunder, ein Wunder ist es es, dass er noch lebt“, hörte er anschließend eine tiefere Stimme. „Aber deine Pflege ist ja auch immer herzallerliebst, Weib.“
Da trat ein ebenso kleiner Mann neben die Frau.
„Bloß gut, dass ihr ihn noch gerade rechtzeitig gefunden habt. Bei diesem Wetter sollte niemand draußen sein, schon gar nicht ein kleiner Junge.“
„Weib, du hast wie immer recht.“
Die Frau lächelte ihn an, dann wandte sie sich an Franz: „Nun, wie geht es dir denn, mein kleiner Junge? Mein Mann Erichfried und sein Bruder Theobaldus haben dich gerade noch rechtzeitig aus der kalten Umklammerung des ewigen Schlafes erretten können. Und ich bin übrigens Friederike.“
Franz wusste gar nicht, was er sagen sollte, doch dann entschied er sich dafür, die volle Wahrheit zu sagen. Was hatte er schon zu verlieren. Seine Mutter hatte ihm immer dazu erzogen, geradeheraus die Wahrheit zu sagen, wenn er etwas gefragt wurde.
„Ich bin Franz. Mein Vater ist ein armer Holzknecht und meine Mutter wäscht für andere Leute die Wäsche. Meine Aufgabe ist es jedoch, dass Reisig für das Feuer zu sammeln. Doch dieses Jahr gibt es so viel Schnee, da fand ich kein Reisig und hoffte, im dunklen Wald des Gebirges mehr zu finden. Doch auch da gab es nichts. Und als ich schließlich mit meiner mageren Ausbeute  beschämt den Rückweg antreten wollte, da fing es an zu schneien und ich verlief mich im Wald.“
„Oh ja und da bist du dann fast gestorben. Aber mein Mann und sein Bruder fanden dich gerade noch rechtzeitig und haben dich hierher in die sicheren Gefilde der Welt unter den Bergen gebracht.“
Franz nickte.
„Aber wer seid ihr? Ihr seid ja so klein, Frau Friederike. Und auch euer Mann Theobaldus ist nicht sehr groß.“
Er schaute sie mit großen Augen an.
„Ich verstehe deine Frage gut, Franz. Du hast ganz recht erkannt, dass wir keine Menschen sein können. - Doch vorher lass dir sagen, dass du uns mit Friederike und Theobaldus ansprechen kannst und natürlich mit Du. Das ist unter uns so üblich. Verstanden?“
Franz nickte.
„Nun gut, du fragst, was wir sind. Vielleicht haben dir deine Eltern schon mal davon erzählt, aber wir sind tatsächlich Zwerge und wir bevölkern unentdeckt von den Menschen das ganze Gebirge mit dem dunklen Wald, wobei wir in großen unterirdischen Höhlen wie diese leben.“
Nun war es am Jungen zu staunen. Ihre Mutter hatte zwar mal von den Zwergen erzählt. Aber das waren Märchen. Und nun, nun war er bei Zwergen zu Gast. Zwergen, die ihm sein Leben gerettet hatten.
„Aber Zwerge, die gibt es doch gar nicht!“, platze es schließlich aus dem Jungen hervor.
„Na na, sind wir denn nichts?“ Friederike blieb ganz ruhig, denn sie wusste darum, dass die Zwerge für die Menschen ins Reich der Träume gehörten.
„Es fällt mir schwer, daran zu glauben, Friederike.“
„Aber wer sollte es denn, wenn nicht du, mein kleiner Junge. In deinem Herzen ist noch Platz für das Magische dieser Welt. Denke immer daran, denn du wirst es schnell genug verlieren. Und nun schlafe, mein Kind, es wird dir gut tun.“
Franz nickte erneut. Er war müde und das Lager sehr bequem.
Friederikes Mann mischte sich nicht ein. Er war nur froh, dass das Kind lebte. Auch wenn es ein Menschenkind war, so konnte er nicht sehen, wenn Kinder litten und gar starben. Das war tief in ihm verwurzelt. Er mochte zwar zuweilen poltern und eine gewisse Rauigkeit aufweisen, aber im Inneren war er ein zutiefst fried- und liebevoller Zwerg.
Franz drehte sich zur Seite und nur Momente später war er dann eingeschlafen.
„Wir sollten auch zu Bett gehen“, meinte schließlich Friederike zu ihrem Mann. „Der Junge braucht uns morgen, denn schließlich liegt es an uns, ihn wieder an seine liebenden Eltern zu übergeben.“
Ein wenig Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit, denn am liebsten hätte sie den kleinen Franz dabehalten und als ihr eigenes Kind angenommen. Doch das ging nicht, denn Menschen wurden einfach zu groß und zudem besaß er Eltern, die ihn sicher sehr vermissten. Sie hoffte nur, dass sie an seine Kraft glaubten und nicht aufgaben. Denn, wenn der Junge eine Sache besaß, dann war es ein fester Wille und viel Kraft.
„Hm. Ich werde mich persönlich darum kümmern, den Jungen wieder zurück zu seinen Eltern zu bringen“, brachte sie Erichfried aus ihren Überlegungen heraus. „Das ist sehr großzügig von dir, mein herzallerliebster Mann.“
„Du weißt doch: Raue Schale, weicher Kern.“
Da mussten sie beide lächeln und gaben sich einen tiefen Kuss, denn wie auch bei den Menschen zeugte ein Kuss von tiefer Liebe und Zuneigung zueinander. Danach begaben sie sich ins Bett, wobei sie doch das Feuer noch einmal kontrollierten. Aber es war alles in Ordnung.

***

Am nächsten Morgen erwachten sie lange vor dem Jungen, den Zwerge brauchten viel weniger Schlaf als Menschen.
Friederike bereitete ein schmackhaftes Frühstück zu und ihr Mann bereitete alles vor für die Rückbringung des Jungen zu seinen Eltern.
Sie waren kaum fertig, da erwachte auch schon Franz.
„Guten Morgen, Franz.“ Die Zwergin lächelte den Jungen freundlich an. „Hast du gut geschlafen?“
„Guten Morgen, Friederike. Ganz herrlich. Alles war richtig bequem, aber zu Hause ist es doch am besten.“
„Das ist wohl wahr, mein Junge. Drum wird dich heute mein Mann zurück zu deinen Eltern bringen.“
„Das macht er? Aber ich habe mich doch verlaufen und er weiß doch gar nicht, wo ich wohne.“
„Sei ganz unbesorgt. Wir Zwerge haben da so unsere kleinen Geheimnisse.“ Sie machte eine kurze Pause. „Doch nun musst du dich erst einmal stärken. Das Frühstück ist fertig.“
Franz stieg von seinem bequemen Lager auf. Zunächst waren seine Beine noch etwas wackelig, dann jedoch ging es wieder genauso gut wie immer.
Bei seinem Bett stand ein kleines Schüsselchen mit frischem Wasser. Franz benutzte es und wusch sich Gesicht und Hände. Dann begab er sich zum Tisch, wo die die Zwerge bereits auf ihn warteten.
„Greif nur zu. Es wird dir gut tun, Franz.“
Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen, denn sein Bauch verriet ihm deutlich, dass er Hunger hatte. Es duftete vorzüglich, was die Zwergin zubereitet hatte und schmeckte noch viel besser.
So reichlich und gut hatte er schon lange nicht mehr gegessen.

Als sie fertig waren, machte sich Erichfried bemerkbar. „Und nun ist es an der Zeit, dich wieder zurück zu deinen Eltern zu bringen.“
„Oh ja, lieber Erichfried. So schön es hier bei dir und Friederike ist, vermisse ich sie doch sehr.“
„Das ist dein gutes Recht, Franz“, mischte sich Friederike ein. „Jedes Kind sollte sich nach seinen Eltern sehnen, den einen liebenden Vater und eine liebende Mutter sind das Schönste, was es gibt. Das darfst du nicht vergessen.“
„Ja, Friederike. Ich werde es in meinem Kopf behalten.“
„Und nun, Franz“, mischte sich wieder Erichfried ein, beschreibe mir ein wenig die Umgebung eurer Hütte, damit ich dich sicher hinleiten kann.“
Der Junge machte es und schnell war sich der Zwerg darüber klar, welchen Weg sie einschlagen mussten. Er kannte sich wie alle Zwerge sehr gut aus und konnte  sich auf seine Sinne verlassen. Das Gute daran war, dass sie zunächst einen Teil unterirdisch zurücklegen konnten. So brauchten sie nicht frieren und durch den schweren Schnee stapfen, der der nachts gefallen war.
„Ich weiß, wie wir gehen müssen“, sagte schließlich zu Franz. „Du hast mir sehr schön beschrieben, wo du wohnst. Es ist ein weiter Weg, aber bis Mittag solltest du zu Hause sein.“
Da strahlte Franz über das ganze Gesicht. Auch, wenn er keinen Reisig hatte, so würde er doch wieder bei Mutter und Vater sein. Das war, wie ihn sein Erlebnis offenbarte, ungleich mehr wert.
Er verabschiedete sich herzlich von Friederike, die ihn wie ein eigenes Kind an die Zwergenbrust drückte, dann machten sie sich auf den Weg.

Der Zwerg führte den Knaben durch unzählige dunkle Gänge, die mal etwas bergauf, dann wieder bergab liefen. Der Junge staute, wie weit verzweigt das unterirdische Reich war und wie zielsicher Erichfried darin bewegte. Franz selbst hätte, das musste er sich eingestehen, schon längst den Weg verloren. Aber er war ja auch kein Zwerg.
„So“, meinte schließlich Erichfried, „wir sind fast an deiner Hütte angekommen. Du musst nur noch den Gang verlassen und immer geradeaus gehen, dann wirst du in wenigen Augenblicken zu Hause sein. Ich aber muss dich nun verlassen, Franz.“ Er drückte den Jungen an sich, denn auch er hatte ihn ein Stück weit lieb gewonnen.
„Versprich mir“, setzte er schließlich fort, „immer schön auf dich aufzupassen. Nicht immer können wir Zwerge da sein, um zu helfen. Und du weiß ja, ohne uns wärst du fast erfroren.“
„Ja, ich verspreche es, Erichfried“, meinte da der Junge.
„So ist es gut!“ Der Zwergenmann war zufrieden. „Und nun mach es gut und tarne den Zugang zur diesem Eingang. Ich kann mich da doch auf dich verlassen?“
„Du kannst es.“
„Sehr schön und alles Gute für dich.“
„Danke dir herzlich Erichfried. Auf Wiedersehen.“
Der Zwerg machte sich von dannen und der Junge begab sich zum anderen Ende des Ganges. Tatsächlich fand er schnell den Ausgang und trat in die zauberhafte Winterlandschaft. Den Eingang in das Reich der Zwerge ließ sich schnell tarnen, dann sah er sich um und tatsächlich erblickte er in der Nähe die heimatliche Hütte.
Das war eine Freude für den Jungen. Er sprang in wilder Hüpferei zum Haus.
Wie er da so herbeisprang, öffnete sich die Tür und seine mit Tränen überströmte Mutter kam aus der Tür.
„Franz, Franz! Dir ist nichts geschehen. Oh welch ein Wunder!“
„Ach Mama, die Zwerge haben mich gerettet und bei sich schlafen lassen.“
„Die Zwerge? Aber Franz, was redest du denn da? Zwerge gibt es doch nicht.“
„Aber Mama, sie haben mich aus dem Schnee gerettet und  bei sich schlafen lassen und heute Morgen habe ich ein vorzügliches Frühstück erhalten.“
Seine Mutter schüttelte nur ihr Haupt, denn es war doch sehr haarsträubend, was ihr da Franz erzählte.
„Komm erst einmal hinein, Franz. Dort kannst du mir dann alles in Ruhe erzählen.“
So gingen sie beide in die Hütte und Franz war froh, wieder zu Hause zu sein. Das elterliche Haus war doch etwas Anderes als eine Höhle der Zwerge. Aber er würde die hilfreichen Zwerge nicht vergessen. Denn er war sich trotz seiner jungen Jahre sehr bewusst, dass er ohne die Zwerge nicht mehr am Leben wäre. Auch wenn niemand ihm Glauben schenkte, er glaubte fest daran und behielt die weisen Worte der Zwerge für immer in seinem Herzen.


René Deter wurde 1974 im mecklenburgischen Städtchen Grevesmühlen geboren und lebt heute im nördlichen Teil des Biosphärenreservats Schaalsee, ca 20 km von der alten Hansestadt Lübeck entfernt. Schon früh entdeckte er die Liebe zum Lesen und Schreiben. Zunächst waren es Gedichte, bald darauf folgten auch Märchen, Kurzgeschichten und längere Erzählungen und kurze Romane. Diese Liebe hat ihn bis heute nicht losgelassen. Dabei bewegt er sich in ganz unterschiedlichen Genres, vorwiegend im fantastischen Bereich. Aber auch die Lyrik gehört zu seinem Metier.
Inspiration für seine Geschichten und Gedichte findet der Autor u. a. in der Natur seiner Heimat, aber auch im Urlaub oder durch besondere Ereignisse, die ihn bewegt haben.Natürlich gibt ihm das Leben in allen seinen Facetten Stoffe zum Erzählen.
Mehr Infos: 








Dienstag, 2. Oktober 2012

Der Zauberhund von Ingrid Mayer


Magische Kindergeschichten
zum Lesen und Vorlesen
für Kinder im Alter von ca. 8 bis 11 Jahren, erhältlich bei Amazon.

Inhalt:
Rettet die Zauberschule!
Auch unbegabte Zauberschüler verdienen eine Chance. Können sie verhindern, dass ihre Schule abgerissen wird?

Der listige Zauberstab
Ein Zauberstab, dessen Meister ihn kaum mehr benutzt, begibt sich auf eine abenteuerliche Reise...

Herr Liebstock und der Zauberhund
Der Rentner Herr Liebstock kauft ein Haus auf dem Land, denn er möchte
möglichst ruhig leben. Doch schon nach kurzer Zeit zieht Merlin bei ihm ein
und bringt einiges durcheinander...

Der Zauberweiher
In einer rauen Winternacht spazieren die jungen Rehe Ricka und Erik durch
den nächtlichen Wald. Doch plötzlich nehmen sie eine seltsame Witterung
auf...


Leseprobe:

Im einem fernen Land namens Simsalandor pflegte man seit vielen hundert
Jahren Zauberer auszubilden. Viele begabte Kinder durften eine der berühmten
Zauberakademien besuchen. Doch leider fehlte manchen dafür das ausreichende
Können, und so mussten sie sich damit begnügen, ihre magischen Kenntnisse in
einer kleineren Schule zu erwerben.
In einer solchen Schule unterrichtete auch Herr Koriander. Als der
Unterricht begann, seufzte der Lehrer erst einmal abgrundtief. Was sollte
nur aus seinen Schülern werden? Ihnen Zaubern beizubringen, gestaltete sich
als äußerst schwierig. Denn vor ihm saßen nicht gerade begnadete Talente.
Allesamt waren sie durch die Aufnahmeprüfung der großen Akademien gerasselt.
Der schon stark ergraute Herr Koriander musste sich nun bemühen, den
unbegabten Magiern doch noch einen Funken Talent zu entlocken. Eine
schwierige Aufgabe. Beinahe jeder verließ diese Schule vorzeitig, ohne
wenigstens das einfache Zauberdiplom zu erhalten. Die Abgänger arbeiteten
später als Bäcker, Kaufmann und einer war sogar Theaterspieler geworden. Ein
richtiger Zauberer war jedoch noch nie aus dieser Schule hervorgegangen.

Kopfschüttelnd sah sich Herr Koriander im halb leeren Klassenzimmer um. Fast
die ganze Abschlussklasse war anwesend, obwohl nur in der letzten Reihe zwei
Jungen saßen. Der Unterricht begann. Mühselig versuchte er, den dicken
Tassilo dazu zu bewegen, einen Blumenstrauß herbeizuzaubern.
Ein Akademieschüler hätte ohne Probleme nicht nur einen einfachen Strauß
erscheinen lassen können, sondern auch genau einhundertundvier blaue
Narzissen mit roten Tupfen. Nicht so Tassilo. Der Junge bemühte sich
redlich. Er verfügte durchaus über magische Fähigkeiten. Doch was er auch
zauberte, es hatte jedes Mal die Gestalt von etwas Essbarem. Mal zauberte er
einen Braten, eine Tafel Schokolade und schließlich einen Blumenkohl –
immerhin etwas, in dessen Namen Blumen vorkamen. Tassilo konnte sich einfach
nicht richtig konzentrieren, denn er dachte immer nur ans Essen.

Bei seinem schüchternen Banknachbarn Bodo war es noch schlimmer. Mit seinen
ersten Zauberversuchen hatte er zwar Erfolg, aber bald fürchtete er sich zu
sehr vor den Gestalten, die dabei entstanden. Schreckliche Monster mit
gebogenen Hörnern auf dem Kopf, die furchtbar stanken und grässliche Laute
von sich gaben. Etwas anderes gelang ihm nicht. Meistens lief Bodo dann
wimmernd davon oder wurde vor lauter Angst ohnmächtig, und sein Lehrmeister
durfte zusehen, wie er dem Ungetüm Herr wurde. Schließlich weigerte er sich
völlig, noch irgendwelche magischen Handlungen durchzuführen, weil ihn die
Ergebnisse, die daraus entstanden, zu sehr ängstigten.

Dienstag, 8. Mai 2012

Von Feen, Zauberern und Zwergen von Ingrid Mayer


Klappentext: 

Vier Geschichten rund um zauberhafte Wesen
Mit Illustrationen von Hans Sölch
Zwistien und Zankistan - Seit langer Zeit herrscht Streit zwischen den Königreichen Zwistien und Zankistan. Der geheimnisvolle neue Hofzauberer in Zankistan bringt die Königstocher Gerlind schließlich auf eine Idee.
Der erste Tag
- Annabel hat die Prüfung bestanden – nach langer Ausbildung darf sie nun endlich als Fee arbeiten. Doch gleich ihr erster Arbeitstag bringt ungeahnte Aufregung.
Die Blumenwichtel
- Es ist schon recht merkwürdig – dort, wo gestern noch eine Pflanze an Teresas Zimmerfenster stand, ist nun das Fensterbrett leer. Ob Teresas seltsamer Traum daran schuld ist?
Zirkus Pimpinelli
- Zirkusdirektor Pimpinelli macht einen seltsamen Fund im Wald, der reichlich Aufruhr in seinen Zwergenzirkus bringt.

Das Buch ist bei Amazon erhältlich. Altersempfehlung: ca. 7 bis 10 Jahre. Mehr über die Autorin erfahren Sie auf ihrer Homepage.


Leseprobe aus „Der erste Tag“

Annabel wollte schon immer eine gute Fee werden, ganz so wie ihre Mutter. Und auch ihre Großmutter war eine gute Fee. So kam Annabels Berufswunsch gar nicht so überraschend. Ihre Mutter hatte schon gehofft, dass Annabel in ihre Fußstapfen treten würde, aber sie wollte ihre Tochter nicht drängen. Umso mehr freute sie sich, als Annabel ihr ihren Entschluss verkündete.
„Wie schön!“, rief sie aus. „Ich melde dich gleich morgen zur Ausbildung bei Harriet an.“

Annabel wurde es ein bisschen mulmig zumute. Die alte Harriet war bestimmt eine der besten Feen im ganzen Land, aber sie galt als sehr streng. Die Zweifel schienen ihr ins Gesicht geschrieben, doch ihre Mutter sprach ihr Mut zu: „Du wirst es schon schaffen. Harriet ist nicht so schlimm, wie alle sagen. Sie ist eine gute und gerechte Lehrerin.“
„Du hast ja Recht“, entgegnete Annabel.
Es gab so viele Geschichten über Harriet, dass nicht alle davon wahr sein konnten. Annabel schob ihre Angst beiseite und besann sich lieber wieder auf ihren Wunsch, Fee zu werden. Schon sah sie die Augen glücklicher Menschen vor sich, denen sie alle drei Wünsche erfüllen hatte können. Denn jeder Mensch, der einer guten Fee begegnete, hatte drei Wünsche frei.

Bis Annabel selbst in der Lage war, Wünsche zu erfüllen, verging jedoch noch eine lange Zeit. Zunächst musste sie eine Prüfung über sich ergehen lassen, damit Harriet bestimmen konnte, ob sich Annabel überhaupt zur Fee eignete. Da sie aber schon von klein auf harmlose Zaubereien ausführte, die sie ihrer Mutter oder Großmutter abgeschaut hatte, gelang es Annabel mühelos, alle Aufgaben zu bewältigen: Nacheinander ließ sie Regentropfen verschwinden, machte aus einem Stück Kuchen zwei und zauberte schließlich noch einem dreiblättrigen Kleeblatt ein viertes Blatt dazu. Harriet war zufrieden und erklärte sich bereit, Annabel bei sich zur Ausbildung aufzunehmen.

So sehr sich Annabel auch auf die Ausbildung freute, so groß war ihre Furcht. Denn sie sorgte sich darüber, ob sie es überhaupt schaffen würde, die vielen Fähigkeiten zu erlernen, die sie als richtige gute Fee brauchte. Einen Liebeszauber zu bewirken, Goldregen herbeizurufen oder ausgefallene Haare wieder wachsen zu lassen – das waren nur einige der Dinge, die sie in ein paar Jahren beherrschen musste.
Aber Annabel war eine fleißige und gelehrsame Schülerin. Vor Harriet fürchtete sie sich anfangs ein wenig, doch bald stellte sich heraus, dass die strengen Worte ihrer Lehrerin meist anderen Schülerinnen galten, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht hatten oder zu spät zum Unterricht kamen. Annabel erschien stets pünktlich zum Unterricht und hatte auch immer ihre Hausaufgaben gemacht, deshalb schimpfte Harriet nie mit ihr und brummte ihr auch keine Strafen auf.

Die Schulzeit verging Annabel viel zu rasch. Nach und nach lernte sie, alle möglichen Wünsch zu erfüllen. Nach sieben Jahren war es dann schließlich soweit: Annabel hatte ihre Abschlussprüfung zur guten Fee bestanden! Wie sehr sie sich freute! Ihre Mutter und Großmutter strahlten vor Stolz und erinnerten sich an den Tag, an dem sie selbst die Feenschule erfolgreich abgeschlossen hatten.

Doch nun begann eine ganz neue Zeit in Annabels Leben. Sie musste hinaus in die Welt ziehen und durfte ihren Beruf endlich ausüben. Ihre Mutter gab ihr so viele Ratschläge mit auf den Weg, dass sie sich gar nicht alle merken konnte. Und Großmutter weinte sogar ein bisschen, als sie ihre Heimat verließ, obwohl Annabel oft heimkehren würde, denn auch gute Feen brauchen gelegentlich Urlaub.

Annabel zog also los, ein kleines Bündel mit Reiseproviant auf dem Rücken, und war auf einmal schrecklich aufgeregt. Tausend Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. Wohin sollte sie überhaupt gehen? Und wie sollte sie einen Menschen finden, dessen Wünsche sie erfüllen konnte? Oder verhielt es sich so, dass nicht sie die Menschen finden musste, sondern dass sie sich finden lassen musste? Sie hatte zwar während ihrer Ausbildung gelernt, alles Mögliche herbeizuzaubern, verschwinden zu lassen oder zu verändern, doch auf solcherlei Fragen hatte sie weder von Harriet noch von ihrer Mutter jemals vernünftige Antworten erhalten.
„Das wird sich alles fügen“, hatte es geheißen, oder „Lass’ dich nie von deinem Weg abbringen“.
Annabel ärgerte sich nun darüber, dass ihr niemand genau erklärt hatte, wie sie nun vorgehen sollte. Sie flog den ganzen Tag über durch den Wald, bis sie gegen Abend an eine Blumenwiese gelangte. Dort suchte sie sich eine große Margaritenblüte als Nachtlager aus.
Als es dunkel wurde und die Blüte sich über Annabels Kopf zu einer Knospe schloss, schoss ihr plötzlich ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf: Wie sahen Menschen eigentlich aus? Sie wusste es nicht einmal genau. Zwar mussten sie wie sie selbst auch Arme, Beine und einen Kopf besitzen, aber mehr war ihr vom Aussehen der Menschen nicht bekannt. Wenn sie nun keinen davon erkannte, wie sollte sie dann seine Wünsche erfüllen? Eine Weile dachte sie darüber nach, bevor sie, erschöpft von der anstrengenden Reise, endlich einschlief.

Als am nächsten Morgen die Sonnenstrahlen Annabel wach kitzelten, schlug sie die Augen auf und blickte erstaunt um sich, bis ihr einfiel, dass sie ja nicht mehr zuhause war. Sie stand auf und reckte und streckte sich gähnend. Dann zuckte sie auf einmal erschrocken zusammen, denn sie hatte etwas Unglaubliches am Ende der Wiese entdeckt.


Leserstimmen:
„Sehr schöne kindgerechte Geschichten mit wunderbaren Zeichnungen. (...)“
„(...) Die Autorin hat Phantasie, kann bildhaft erzählen und findet den für Kinder geeigneten Ton.
Zauberhafte Geschichten, den den Namen auch verdienen. (...)“