Über das Buch:
Lilly hat eine besondere
Gabe. Die Ohren der Elfe jucken, sobald der Frühling Einzug hält. In diesem
Jahr wartet sie aber vergeblich. Der Frühling wird vom Winter gefangen gehalten
und nur Lilly kann ihn befreien. Gemeinsam mit einem alten Dachs macht sie sich
auf die Suche. Ob Lilly den Frühling retten kann?
Eine Geschichte für Kinder
ab 7 Jahre mit Illustrationen von Lydia Pollakowski.
Erhältlich in den meisten
eBook Shops und bei Amazon, Thalia, Weltbild, Hugendubel, Bücher.de.
Leseprobe:
»Wo ist bloß der Frühling?«, fragte
sich Lilly und starrte nach draußen in das leichte Schneegestöber. Ihr bot sich
derselbe Anblick wie bereits seit Wochen. Ein verschneiter Wald. Die Äste der
Bäume bogen sich unter der Last des Schnees und von Zeit zu Zeit hörte man Holz
brechen, das dem Gewicht nicht mehr standhielt.
Lillys Nase fühlte sich kalt an, vom
Plattdrücken an der Fensterscheibe. Wie sehr sie sich auch bemühte, die junge
Elfe konnte keinen Frühlingsboten entdecken. Nirgendwo war eine Blütenknospe zu
erspähen, noch der kleinste Grashalm. Die Pflanzen schliefen fest unter einer
dicken, weißen Schneedecke.
Müde rieb sich Lilly die Augen und
wuselte mit den Fingern durch ihr langes, lockiges Haar. Dieses Jahr schien der
Winter kein Ende nehmen zu wollen, hier herumzustehen und den Schnee
anzustarren, würde den Frühling aber auch nicht früher herbeilocken. Traurig
wandte sie sich vom Fenster ab. Wie sie die Kälte verabscheute. Der Winter war
eisig, nass und beraubte die Welt ihrer Farben. Ständig hatte jemand Schnupfen,
und es wollte einem einfach nicht richtig warm werden. Warum musste es einen
Winter geben? Sie liebte die Wärme und die Pracht der blühenden Natur. Anstatt
hinauszugehen und wie andere Kinder im Schnee zu spielen, vergrub Lilly sich
viel lieber in ihrem Zimmer. Hier wartete sie jedes Jahr auf die ersten
Sonnenstrahlen des kommenden Frühlings. Noch nie hatte sie so lange gewartet
wie in diesem Jahr.
Im Wohnzimmer ihrer Wurzelhütte, die
sie mit ihren Eltern und einem alten, weisen Dachs bewohnte, wartete ein
warmes, prasselndes Feuer auf die Elfe. Die Flammen warfen zuckende Bilder an
die Wände und tauchten den Raum in ein gemütliches, gelboranges Licht. Hier
konnte man es während der kalten Tage aushalten. Die Familie kam zusammen und
gemeinsam verging die Zeit viel schneller. Heute war nur Großvater Dachs da,
der wie immer zusammengerollt vor dem Kamin lag. Die Wärme tat seinen alten,
schmerzenden Knochen gut. An Tagen wie diesem, an denen der Schnee noch
undurchdringlicher erschien, bewegte er sich keinen Schritt von seinem
Schlafplatz weg.
Leise setzte sich Lilly neben den
Dachs auf den Fußboden. Behutsam streichelte sie sein drahtiges, grau gewordenes
Fell. Ein zufriedenes Grunzen und das leichte Zucken der Pfoten zeigten ihr,
wie sehr er diese Streicheleinheit genoss.
»Na, meine Liebe, jucken dir endlich
die Ohren?« Schmatzend und sich lang streckend öffnete Großvater Dachs die
Augenlider.
Lilly, die dieses alte Tier seit
ihrer Geburt kannte, griff nach einem Krug voll Tauwasser und goss dem Dachs
davon ein. Gierig trank dieser aus seiner Schale und blickte die Elfe dann mit
seinen dunklen Augen dankbar an.
»Ich wünschte, ich könnte den
Frühling herbeisehen. Dann wäre der Winter längst vorbei. Ich befürchte, dass
ich es verlernt habe, den Frühling zu spüren. Meine Ohren jucken kein
bisschen.« Dieses Phänomen trieb Lilly die letzten Jahre fast in den Wahnsinn.
Erst leicht und dann immer stärker begannen ihre Ohren zu jucken. Erst nur die
kleinen Spitzen, dann setzte sich das Kribbeln und Krabbeln fort, bis das ganze
Ohr nur so juckte. Fast so, als wäre einem das Bein eingeschlafen. So erklärte
es zumindest Lilly, wenn man sie fragte. In den letzten Jahren war immer kurz
darauf der Frühling eingekehrt. Doch nicht so dieses Jahr. Diesen Winter
wartete sie vergeblich auf das Jucken.
»Sie werden noch jucken, wenn es an
der Zeit ist. Bis dahin genieße den Schnee, der Winter kann so schön sein. Du
musst ihm nur eine Chance geben, dir diese Schönheit zu zeigen.«
Angewidert verzog Lilly ihren Mund.
»Nein, ich glaube, das lass ich lieber.«
Vorübergehend sprach keiner der
beiden ein Wort. Lilly träumte von einer sonnenbeschienenen Frühlingswiese, auf
der sie endlich nach Herzenslust toben konnte. Großvater Dachs fiel
währenddessen eine alte Geschichte ein, die er vor langer Zeit gehört hatte.
»Vielleicht hat der Winter den
Frühling gefangen. Versucht hat er es bereits das ein oder andere Mal.«
Aus ihrer Träumerei gerissen, fragte
Lilly: »Der Winter hat was getan?«
»Den Frühling gefangen. Kennst du
denn nicht die Geschichte vom ewigen Kampf zwischen Winter und Frühling?«
Lilly schüttelte den Kopf. Nein, die
kannte sie nicht.
»Einst, lange bevor du oder ich
geboren wurden, gab es nur den Winter. Er herrschte mit eisiger Hand über die
Welt. Die Kälte vertrieb alles Leben und es wurde immer kahler und trostloser.
Eines Tages tauchte der Frühling auf. Woher er kam, ist nicht bekannt.
Vielleicht gab es ihn schon immer. Ich glaube, dass er aus den verzweifelten
Wünschen der Lebewesen entstand. Denn, du musst wissen, Wünsche können magisch
sein, und wenn man etwas nur stark genug wünscht, kann es wahr werden. In der
Wärme des Frühlings lebte die Natur auf und alle Lebewesen versammelten sich,
um dem Winter zu trotzen. Ein langeanhaltender Machtkampf brach aus, der erst
beendet wurde, als der Sommer und der Herbst zwischen Frühling und Winter
vermittelten. Sie schlossen ein Bündnis. Jede der vier Jahreszeiten sollte
gleichlang über die Erde herrschen. Jedes Jahr war die Freude groß, als nach
dem Winter der Frühling einen Neuanfang brachte. Die Natur und ihre Bewohner
lebten auf, alles grünte und blühte. Der Sommer brachte darauf hin Nahrung aber
auch Hitze im Überfluss. Keiner musste sich um sein Überleben sorgen. Aber auch
die Hitze kann einem zu viel werden, sie kann verbrennen und die Bäche und
Flüsse austrocknen. Darum gibt es den Herbst. Er mildert die Hitze des Sommers
und bereitet alles Leben, ob nun Tiere, Pflanzen oder kleine Elfen, auf das
Ende des Jahres vor. Wenn das letzte bunte Blatt gefallen ist und der letzte
Apfel geerntet wurde, kehrt der Winter zurück und bedeckt die Welt mit einer
schützenden Decke aus Schnee, damit sie schlafen kann, um im Frühling von neuem
zu erwachen. Es gab ein Gleichgewicht zwischen Wärme und Kälte, durch die alles
Leben aufblühte. Unzufrieden mit der ihm zugestandenen Zeit, wollte der Winter
länger seine Macht ausüben. Jedes Jahr aufs Neue versuchte er dem Frühling Tage
zu stehlen, in dem er ihn in einem Gefängnis aus Eis und Schnee gefangen hielt.
Vielleicht ist es ihm dieses Jahr erneut gelungen, was meinst du?«
Nachdenklich starrte Lilly ins
Feuer. Hielt der Winter den Frühling gefangen? War das möglich? Wie sollte sie
ihn finden und befreien? So viele Fragen brannten ihr auf der Zunge, die sie
dem Dachs noch stellen wollte. Das leise Schnarchen und das regelmäßige Zucken
der Schnurrhaare verrieten ihr aber, dass dieser erneut eingeschlafen war.
»Ach was, bestimmt ist das nur eine Geschichte gewesen«,
machte sich die Elfe Mut. Überzeugt war sie aber nicht.
Copyright by Lydia Pollakowski |
Über die Autorin:
Felizitas Montforts wurde
im Februar 1983 geboren. Als Kind entdeckte sie zeitgleich ihre Begeisterung
für das Lesen wie auch für das Schreiben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren
Zwillingen und einer sehr anhänglichen Katze in Viersen am Niederrhein. In
ihrer Freizeit widmet sie sich dem Schreiben und ihrem Food-Blog.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.