Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren

Dienstag, 30. August 2016

Ratte Prinz von Annette Paul

mit Illustrationen von Krisi Sz.-Pöhls

Ich bin eine goldfarbene Ratte aus königlichem Geschlecht. Einer alten Prophezeiung nach bin ich ein verwunschener Prinz. Weil ich mich langweile, mache ich mich auf die Suche nach der Prinzessin, die mich erlösen soll. Dabei gerate ich in ein Unwetter und werde in einen Kanal gespült. Da ich an den glatten Wänden nicht hochklettern kann, bin ich kurz vor dem Ertrinken. Zum Glück kommt das kleine Mädchen Raja vorbei und rettet mich. Allerdings erst, nachdem ich ihr versprochen habe, sie zur Prinzessin zu machen. Seitdem lebe ich in dieser verrückten Großfamilie. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, alle zurechtzubiegen und erlöst zu werden.
Kinder ab 8 Jahre
Erhältlich als E-Book bei Amazon, Thalia, Weltbild, Hugendubel, buch.de und als Taschenbuch, auch im örtlichen Buchhandel.   

Abenteuer im Malstudio

Am Ende des Flurs entdecke ich eine weitere Treppe. Die Stufen sind ziemlich schmal. Trotzdem sind sie kein Problem für mich. Oben befindet sich ein großer offener Raum, der sehr hell ist. In der Ecke steht ein Mann mit einem Kittel und malt konzentriert an einem Bild, das auf einer Staffelei vor ihm steht. Er ist so versunken, dass ich gefahrlos herumlaufen kann. Trotzdem bleibe ich in Deckung. Überall hängen und stehen hier Gemälde. Nur was darauf abgebildet ist, kann ich nicht erkennen. Aber alle sind in so einem entsetzlichen Rot. Mich erinnern sie an Blut und das mag ich nicht. Ich schnuppere herum. Aber außer ein paar leeren Kaffeetassen, die wohl vergessen wurden, gibt es nichts Interessantes. Als ich auf dem Fußboden alles gesehen habe, klettere ich auf den Tisch.

Vor mir liegt ein Bild, dahinter befindet sich eine offene Kekspackung. Ich laufe gleich darauf zu. Das Bild ist feucht und die Farbe klebt unangenehm an meinen Füßen. Als ich zu ihnen herunterschaue, sehe ich, dass sie rot sind und auf dem Bild sind helle Pfotenabdrücke zu sehen. Na, wenigstens etwas, was man erkennen kann. Ich laufe bis zu den Keksen, greife mir gleich einen und beiße kräftig hinein. Beim Fressen knuspert es. Ich bin völlig mit dem Keks beschäftigt. Und als ich ihn aufgefressen habe, suche ich die weggesprungenen Krümel. Ein paar sind inzwischen rot, sie schmecken mir aber trotzdem.





„Eine Ratte!“

Ich schaue hoch, der Mann steht vor mir. Mit seinem Pinsel stößt er wie mit einer Lanze nach mir. Natürlich warte ich nicht, bis er mich ersticht, sondern husche über das Bild, springe auf einen Stuhl, dann auf den Fußboden und renne zur Treppe. Ich fliehe im vollen Tempo weiter und falle dabei fast die Treppe hinunter.

Es ist gut, dass ich mich so beeile, denn er wirft etwas nach mir. Mit einem lauten Knall landet es hinter mir an der Wand. Tropfen landen auf meinem Fell. Und es riecht fürchterlich. Aber ich beachte es nicht, sondern renne um mein Leben. Immer weiter treppabwärts bis ins Erdgeschoss. Dort verstummt der unharmonische Lärm und eine Tür öffnet sich. Sicherheitshalber verschwinde ich in einem Schuh, der im Weg steht.

„Picasso, bitte sei leise, ich habe eine Schülerin!“, sagt die schlanke Frau in der Tür energisch und schließt sie dann geräuschvoll. Gleich darauf erklingt in dem Raum wieder dieser schreckliche Lärm. Oben höre ich den Mann fluchen. „So ein Mist.“ Aber er ist leiser. Irgendetwas tropft herunter, ich kann das „Pling, Pling“ der Tropfen deutlich hören. Der Mann wischt und schabt auf der Treppe, als ob er das Holz mit einem Stück Packpapier abtragen will.


Annette Paul
lebt in Buxtehude, einer Kleinstadt im nördlichen Niedersachsen. Angeregt von der Märchenstadt schreibt sie Kurzgeschichten, Kindertexte und Märchen.
Mehr von und über Annette Paul auf Probeschmökern bei Annette Paul
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Krisi Sz.-Pöhls
lebt recht zurückgezogen in Oppenheim am Rhein. Am liebsten malt, zeichnet und liest sie. Außerdem macht sie viele Spaziergänge am Rhein mit ihrem kleinen Hund Capo.
Malen gehört seit ihrer Kindheit zu ihren Hobbys. Mittels Fortbildungen ist die Autodidaktin Künstlerin geworden. Ihre Werke im Stil der Modern Fantasy umfasst
- Malerei in Acryl oder Öl
- Zeichnungen
- Tattoovorlagen
- Virtuelle Bilderwelten
Mehr von ihr auf ihrer Homepage www.salidaswelt.com.

Dienstag, 23. August 2016

Zacki Zack - Das Casting von Margareta Schenk



 Die Castingwelle rollt. Jetzt hat sie das Hasenland erreicht.
Zack will Osterhase werden, doch er hat nicht genug Karotten-Schulgeld für die Hasen-Akademie. Da kommt das allererste Hasen-Casting gerade richtig.
Zacks Freunde, die Maus Leonie und das Huhn Mathilde unterstützen ihn.
Wird er es schaffen?
Erhältlich bei Amazon und bei Thalia.
Das Casting
Es war einmal ein kleiner Feldhase, der hatte die Hasenschule mit Auszeichnung bestanden. Ganz aufgeregt erzählte er, dass er Osterhase werden wollte.
Die Henne Mathilde schüttelte skeptisch den Kopf und gackerte wild drauflos: „Osterhase willst du werden? Ja weißt du denn nicht, wie schwer die Ausbildung ist. Die nehmen nicht jeden und umsonst ist die Osterhasenakademie ja auch nicht. Da studieren nur die Hasen, deren Eltern einen großen Wintervorrat an Möhren angelegt haben.

Das schaffst du nie.“
Das machte die Maus Leonie wütend. „Also Mathilde, bist du nun unsere Freundin oder nicht? Wir sollten lieber überlegen, wie wir Zack helfen können.“
Mathilde gackerte unbeeindruckt weiter. „Mein Freund Zack, der Osterhase. Das hört sich schon gut an.“ Sie hob den Kopf und stolzierte durch den Hof, als wäre sie der Hahn. „Aber wie soll er das schaffen?“ Mitten im Hof blieb sie stehen.
Zack und Leonie, die hinter ihr hergelaufen waren, stießen mit ihr zusammen. Alle drei purzelten wild durcheinander.
„Was macht ihr denn für einen Unsinn?“ Karl, der Kartoffelkäfer brachte sich gerade noch neben einem Kieselstein in Sicherheit, sonst wäre er von den herumkullernden Freunden überrollt worden. „Habt ihr es schon gehört?“, schrie Karl, da Mathilde immer noch lauthals krakeelte.
„Was denn?“ Zack hatte sich als Erster beruhigt.
„Dieses Jahr gibt es ein Osterhasen-Casting. Die besten drei bekommen ein Stipendium für die

Hasenakademie. In einer Stunde geht es los.“
Da wurde es plötzlich ganz still.
„Keine Aufnahmeprüfung? Kein Karotten-  Schulgeld?“ Zack war sprachlos. Das war seine Chance. Sofort machte er sich auf den Weg zur großen Schulwiese, wo das Casting stattfand. Je näher er der Wiese kam, umso langsamer wurde er.
„Was ist los, hast du etwa Angst?“ Leonie stupste Zack an und kitzelte ihn.
„Hör auf damit.“ Nervös wehrte Zack Leonie ab und schubste sie zur Seite.
„Du hast Angst!“, beharrte Leonie. Dabei stellte sie sich vor Zack auf ihre Hinterpfoten, damit sie größer wirkte. „Du wirst der weltbeste Osterhase, ganz sicher. Du steckst alle in die Tasche. Die werden sich noch wundern.“
Zack musste lachen, weil Leonie sich so in Rage redete. „Schon gut, ich probiere es. Wäre ja dumm, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde.“
Nachdem sich Zack mit den anderen Hasen zum Casting angemeldet hatte, mussten sich alle in einer Reihe aufstellen.
Meister Lampe, der Oberhase, kontrollierte, ob die Kandidaten auch ihr Fell ordentlich gepflegt hatten. Zerzauste Osterhasen waren nicht gern gesehen. Sie hatten immerhin einen guten Ruf, den sie nicht verlieren wollten. Das war auch der Grund weshalb er sich dieses Jahr für ein Casting entschieden hatte. Die Akademie war nämlich voll von Möchtegern-Osterhasen, die es sich jahrelang auf der Schulbank bequem machten. Sie fielen ihren Eltern zur Last, die für die Ausbildung schufften mussten. Es gab immer weniger ausgebildete Osterhasen.

Die Arbeit häufte sich und war kaum mehr zu schaffen. Jetzt sollten die neuen Anwärter erst einmal beweisen, dass sie das Studium verdienst hatten.
Die Jury bestand aus Meister Lampe und zwei betagten Osterhasen.
Bald war die Wiese voll mit Casting-Teilnehmern und ihren Freunden. Zwei Klopfer trommelten mit ihren Pfoten, sofort kehrte Ruhe ein.
Meister Lampe erklärte die erste Aufgabe. „Ihr müsst Ostereier verstecken. Jeder bekommt die gleiche Menge Eier. Wichtig ist, dass die Verstecke nicht sofort gefunden werden. Es darf aber auch nicht zu schwierig sein, sie aufzustöbern. Die fünf von euch, die dafür zu lange gebraucht haben, scheiden sofort aus. Danach wählen wir fünf weitere Hasen aus, die zu schwere Verstecke ausgesucht haben oder zu schlampig waren. Für die ist der Wettbewerb dann auch vorbei.“
Jeder Hase bekam fünf Eier und ein Stück Wiese am Waldrand zugeteilt.
„Das ist ja kinderleicht.“ Klaus Schlappohr rümpfte seine Nase. Mitleidig sah er auf Zack hinunter, der einen ganzen Kopf kleiner war als er. „Das wirst du vielleicht noch hinkriegen“, meinte er gönnerhaft, „aber dann kannst du dich schleichen. Der Rest ist zu schwer für dich.“
Zack hörte gar nicht zu. Er hatte genug damit zu tun, sich Verstecke zu überlegen.
Auf ein Zeichen des Oberhasen ging es los. Die Teilnehmer hoppelten kreuz und quer über die Wiese und versteckten die Ostereier. Nur Klaus gab sich keine Mühe. Er schlurfte zum Waldrand und warf die Eier achtlos ins Gebüsch. Danach schlenderte er zum Sammelplatz zurück.
Nachdem sämtliche Verstecke begutachtet und beurteilt worden waren, warteten alle gespannt auf das Ergebnis. Zuerst wurden die Hasen aufgerufen, die sofort ausscheiden sollten.
Klaus war vollkommen überrascht darüber, dass auch er gehen musste. „Meine Eltern haben ganz viele Karotten gesammelt“, tobte er. „Die werden mir schon einen Platz zahlen. Wenn ihr mich nicht aufnehmt, solltet ihr alle in Zukunft vorsichtig sein.“ Damit verschwand er im Unterholz, gefolgt von den vier schon ausgeschiedenen Hasen.
Meister Lampe beruhigte die übrigen Teilnehmer und machte sofort mit der nächsten Aufgabe weiter. „Um den zweiten Wettbewerb zu bestehen, müsst ihr vom Hühnerhof zwei schöne Eier bringen, ohne dass der Bauer etwas merkt.“
Er sah sich um. Bei insgesamt zehn Hasen, würde es gar nicht so leicht sein, unbemerkt an zwanzig Eier zu kommen. „Ihr habt dieses Mal eine Stunde Zeit. Wer es in der angegebenen Zeit nicht schafft oder nur ein Ei mitbringt, der scheidet aus.“
Die Hasen bildeten Dreiergruppen. So war die Aufgabe leichter zu bewältigen. Zack wurde von keiner Gruppe angenommen, blieb also übrig.

„Du kannst ruhig hierbleiben. Du passt nicht zu uns und fliegst ja doch raus. Oder der Hofhund zerreißt dich in Stücke“, erklärten sie hochnäsig. Dann machten sie sich auf den Weg zum Hühnerhof.
Zack blieb zurück. Aber er dachte gar nicht daran, aufzugeben. Er würde es schaffen und Osterhase werden! In Begleitung von Mathilde und Leonie machte sich Zack ebenfalls auf den Weg. Sie näherten sich dem Hof von der Rückseite. Hier lag Hasso vor seiner Hundehütte und schlief.
Als Mathilde an ihm vorbeimarschierte hob er nur gelangweilt ein Augenlid. Ein Huhn im Hühnerhof. Daran war nichts Besonderes.
Mathilde beeilte sich, in den Stall zu kommen, packte ein Ei und lief zu ihren Freunden zurück. „Das zweite Ei bekommst du auch gleich“, beruhigte sie Zack. Sie schob die Freunde ein Stück von sich weg, begann zu gackern und - legte ein Ei.
Von dem Lärm wachte Hasso auf, sprang aufgeregt hoch und sah die anderen Hasen, die sich in den Hof schlichen. Mit wütendem Gebell jagte er sie davon. Danach legte er sich zufrieden in seine Hütte.

Zack und seine Freunde erreichten inzwischen wohlbehalten den Sammelplatz.
Nur acht Hasen hatten es geschafft und Eier mitgebracht. Einer von ihnen hatte nur eins dabei und so schieden drei weitere Teilnehmer aus.
„Jetzt kommt die schwerste Aufgabe.“ Meister Lampe musterte die restlichen Kandidaten. Da sahen ein paar ganz schön zerzaust aus.
Er räusperte sich. „Ihr sollt eure mitgebrachten Eier färben, aber nur mit Naturfarben. Lasst euch was einfallen. Holt euch Tipps bei euren Freunden aber vergesst nicht: In zwei Stunden bringt ihr mir das Ergebnis.“


Über die Autorin:
Margareta Schenk, geb. 1952, ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Sie lebt in Bayern. Die Vorsitzende des Vereins  „Future for children e.V.“, der Kindern und armen Familien in Sri Lanka hilft, ist eine begeisterte Krimi- und Märchenleserin. Mit der Zeit entstand daher der Wunsch, selbst ein Buch zu verfassen. So begann sie 2012 mit einem Schreibstudium. Bereits während des Studiums vollendete sie ihr erstes Märchenbuch „Mias Traum“. Es folgten „Mias Abenteuer“  und die Kurzgeschichtensammlung „Der Riss“. Zwei Märchen und eine Kurzgeschichte wurden bisher in Anthologien veröffentlicht.

Dienstag, 16. August 2016

Mia-Maries Herzenswunsch

Die Anthologie „Mia-Maries Herzenswunsch“ enthält zehn traurige und nachdenklich machende Geschichten über Kinder. Das Kurzgeschichten-Projekt wurde für die an Krebs erkrankte Mia-Marie ins Leben gerufen, die einen inoperablen Gehirntumor hat. Ein Teil des Erlöses geht direkt an die 8-Jährige, damit ihr Herzenswunsch, so viele schöne Erlebnisse und damit Erinnerungen wie möglich zu sammeln, umgesetzt werden kann.

Erhältlich bei Amazon



Ein Buch mit Geschichten für Kinder und Geschichten für Erwachsene.


Finnjas Wünschehund

von Annette Paul

„Holt eure Stifte heraus. Wir schreiben einen Rechentest.“ Frau Rehder, Finnjas neue Klassenlehrerin, verteilte schnell einen Aufgabenzettel.
Finnja holte ihre Federtasche aus dem Ranzen. Warum musste sie gleich am ersten Tag in der neuen Schule eine Arbeit schreiben?
Zuerst kamen einfache Malaufgaben. Die rechnete sie schnell aus. Dann folgte eine Textaufgabe. Sie las sie zweimal durch, ohne sie zu verstehen. Wie sollte sie die bloß lösen?
Sie schaute auf. Melanie neben ihr schrieb und rechnete ohne Pause. Der Junge mit dem Strubbelkopf vor ihr kaute auf seinem Stift herum. Er schien ähnliche Probleme wie sie zu haben.
Eine blöde Schule! Warum konnte sie nicht auf ihre alte gehen? Nur weil Papa versetzt worden war. Hier kannte sie niemanden und gleich in der zweiten Stunde musste sie eine Mathearbeit schreiben. Sie beugte sich wieder über ihr Heft und versuchte, wenigstens die letzten drei Aufgaben zu lösen. Als es klingelte, sammelte Frau Rehder die Hefte ein.
„Kommst du mit?“ Melanie sah sie fragend an.
Finnja nickte und holte schnell ihr Brot und ihre Trinkflasche aus dem Ranzen.
„In der nächsten Stunde haben wir Deutsch, du kannst ja nachher den Stundenplan von mir abschreiben.“ Melanie führte Finnja über den großen Schulhof. In der hinteren Ecke befand sich ein Spielplatz mit Sandkasten, Balancierbalken und einem Klettergerüst.
Die neuen Klassenkameraden näherten sich Finnja und löcherten sie mit Fragen: „Wo kommst du her?“ – „Wie heißt du?“ – „Seit wann wohnst du hier?“ Finnja beantwortete die Fragen, so gut sie konnte. Sie hatte das Gefühl von hundert fremden Kindern umringt zu sein. Ständig schaute sie in ein neues Gesicht.
„Lass uns balancieren“, schlug ein Mädchen vor und einige Kinder lösten sich aus dem Kreis. Jetzt konnte Finnja den Jungen mit dem Stubbelhaar in einer Ecke auf einem Stein sitzen sehen. Er war da ganz allein und machte ein trauriges Gesicht. Sicher hatte er die Arbeit verpatzt.
Als der Balancierbalken frei wurde, setzte er sich darauf. Gleich darauf erschienen zwei kräftige Kinder und riefen ihm etwas zu. Dann lachten sie laut.
„Wer ist das?“, fragte Finnja Melanie.
„Oh, Fabian, der ist komisch, den mag keiner. Das andere sind Tim und Sven.“
Finnja folgte Melanie auf das Klettergerüst. Es bestand aus einem Mast, an dem ein Gitter aus Seilen befestigt war. Geschickt kletterte sie mit Melanie bis ganz nach oben.
„Gefällt es dir hier?“, fragte Melanie.
„Der Schulhof ist toll. Mehr kenne ich noch gar nicht. Wir sind erst vorgestern eingezogen. Gestern haben wir eingekauft. Anschließend haben wir das Wichtigste ausgepackt. Wir mussten die Kleidung und die Schulsachen suchen. In meinem Zimmer stehen die Möbel, aber mein Spielzeug ist in den Kartons.“
„Wir können zusammen zur Schule gehen, die Eichenstraße ist ganz in unserer Nähe“, schlug Melanie vor.
„Das ist fein“, freute sich Finnja. „Dann muss ich nicht allein gehen.“
In der nächsten Stunde hatten sie Deutsch und sie lasen eine Abenteuergeschichte. Als Fabian dran kam, stotterte er herum, als wäre er in der ersten Klasse. Hinten lachte jemand. Finnja drehte sich um. Tim und Sven schnitten Grimassen und feixten.
„Das nächste Mal übst du besser“, sagte Frau Rehder streng. Sie nahm Melanie dran, die den Text fließend und richtig betont vorlas.
Fabian senkte den Kopf, seine Ohren wurden ganz rot.
Nach der letzten Stunde traf Finnja ihn an Schultor. „Ich kann auch nicht gut lesen“, sagte sie, um ihn zu trösten.

Vor der Schule wartete Mutter und ihre Schwester Marie. Marie ging in die erste Klasse und hatte nur vier Stunden gehabt. Fröhlich hüpfte sie neben ihnen her. Sie durfte gleich spielen, da sie ihre Hausaufgaben schon erledigt hatte.
„Wie gefällt dir deine neue Klasse?“, fragte Mutter.
 „Ich weiß nicht.“ Finnja schüttelte den Kopf.
„Haben die dich geärgert?“, fragte Marie. „Meine Klassenkameraden sind nett. Ein Mädchen hatte Gummibärchen mit und hat mir welche abgegeben.“
„Nein, mich nicht, aber die ärgern einen Jungen. Sie lassen ihn auch nicht mitspielen.“
„Und wie waren sie zu dir?“, fragte Mutter.
„Nett, sie wollten alles Mögliche von mir wissen. Ich sitze neben der Klassenbesten. Die soll mir helfen, wenn ich irgendetwas noch nicht kann. Melanie ist nett. Sie wohnt in unserer Nähe. Morgen wollen wir zusammen zur Schule gehen.“
„Wie ist Melanie zu dem Jungen?“, fragte Marie.
„Sie hat nicht mitgemacht, aber sie hat auch nicht mit ihm gesprochen.“ Finnja schob ihre Hand in die Hand ihrer Mutter.
„Du kannst ihn zu uns einladen. Ihr habt noch keine Spielkameraden, da ist es doch nett, wenn ihr miteinander spielt.“

Gleich am nächsten Tag fragte Finnja in der Pause Fabian: „Hast du Lust, nachher mit mir zu spielen? Wenn du willst, können wir auch die Hausaufgaben zusammen machen. Vorher darf ich nämlich nicht spielen.“
Fabian versprach, sofort nach dem Essen zu kommen.
„Fabian ist blöd, mit dem sprechen wir nicht“, meinte Sina, als sich Finnja auf ihren Platz setzte.
„Und warum?“, fragte Finnja.
„Wir mögen ihn nicht“, erklärte Sina.

Finnja aß noch, als es an der Tür klingelte und Fabian davor stand.
„Möchtest du auch etwas essen?“, fragte Mutter. Sie stellte einen weiteren Teller hin. Fabian schlug kräftig zu.
„Hast du noch gar nichts gegessen?“, fragte Marie verwundert.
„Doch, ich habe mir ein Brot gemacht. Meine Mutter arbeitet, deshalb essen wir abends warm.“
Nachdem sie den Tisch abgedeckt hatten, machten sie Hausaufgaben. Sie mussten ihren Rechentest berichtigen. Finnja war über ihre Vier sehr unglücklich.
„Solche Textaufgaben hast du noch nie gerechnet, dafür ist die Arbeit in Ordnung“, tröstete Mutter sie.
Sie half ihnen bei einigen Aufgaben. Bevor sie spielen durften, fragte Mutter außerdem das Einmaleins ab und ließ sie vorlesen. Als Fabian den Text zum dritten Mal las, sprach er klar und flüssig.
„Warum übst du nicht?“, fragte Finnja.
Fabian schaute aus dem Fenster. „Es macht keinen Spaß.“
„Aber es ist blöd, wenn man es in der Schule nicht kann.“ Finnja packte ihre Schulsachen in den Ranzen.
Fabian nickte. „Meine Mutter ist abends immer zu müde, um mit mir zu üben.“
„Kann dein Vater nicht helfen?“
„Der wohnt woanders.“
„Dann eben am Wochenende. Am besten lernen wir beiden miteinander.“, schlug Finnja vor.
(...)