Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren

Dienstag, 25. April 2017

"Sieben goldene Tränen" von Marianne Schaefer



Warum sitzt ein kleiner Prinz mit einer Pudelmütze auf dem Kopf, die seine grünen Haare verbergen, allein am Strand und spricht mit einem Stück Holz?
An seinem zehnten Geburtstag muss Robert erkennen, dass sich sein Leben gänzlich verändern wird. Er muss sich eine neue Heimat suchen, denn man hat ihn aus dem Königreich gewiesen, dass eigentlich ihm gehört. Alles, was ihm bleibt, ist eine Reisetasche und seine geliebte Flöte. Er landet auf dem Schiff der Hexe Bösina, die seltsamerweise seinen Namen kennt und offenbar mit seiner geliebten Zofe etwas gemeinsam hat. Nur was?  Er begegnet dem dreiköpfigen Seeungeheuer Justus und den Märchenerzähler Arek, die sich beide als Diebe herausstellen, ohne wirklich böse zu sein. Fehmi aber, ein winziges Regentröpfchen in Gummistiefeln, mit einer lustigen Schleife im Haar, wird seine Vertraute. Bald sind sie zu einer festen Gemeinschaft geworden und bestehen miteinander viele Abenteuer. Es gelingt ihnen, die wirklich Bösen zu bestrafen und das Schloss des kleinen Prinzen zu erobern.
Die liebevollen Illustrationen von Claudia Quiske machen das Buch zu einem Lesevergnügen nicht nur für Kinder.

Erhältlich beim Verlag



Sieben goldene Tränen
5. Kinderbuch

Kapitel 1
Prinz Robert wird verbannt

Als Prinz Robert an seinem zehnten Geburtstag die Augen öffnete, ahnte er, dass sich sein Leben ab heute verändern würde. Ihm waren die traurigen Augen seiner Lieblingszofe Frederike und das Getuschel der anderen Angestellten in den letzten Tagen nicht entgangen.
Da öffnete sich auch schon die Tür und die Zofe erschien, um ihm beim Anziehen zu helfen. Ihr Gesicht war ernst und in ihren Augen standen Tränen.
„Guten Morgen, mein Liebling“, flüsterte sie ihm leise ins Ohr und strich ihm über die Wangen. „Herzlichen Glückwunsch,
mein Kleiner! Ich soll dich gleich zum neuen Herrscher, deinem Onkel Reinald, in den Thronsaal bringen.“
Nun kullerten der Zofe doch Tränen übers Gesicht, die sie allerdings vor Robert zu verbergen suchte. Es gelang ihr nicht.
„Warum weinst du, Frederike?“, wollte er wissen.
„Oh, es geschieht nur aus Sorge um dein Wohlergehen.”
Der kleine Prinz tröstete sie: „Ich weiß, mein Onkel ist streng, aber warum sollte er mir Böses wollen! Sicher möchte er nur zum Geburtstag gratulieren!“
Die Zofe holte tief Luft, schwieg und kleidete Robert an. Dann nahm sie ihn bei der Hand. Sie waren schon fast an der Tür, da rannte der Prinz zurück, griff nach seiner Mütze, die auf einem Stuhl neben dem Bett lag, und stülpte sie sich über den Kopf. Er war nämlich nicht wie andere Kinder, sondern hatte mit grünen Haaren das Licht der Welt erblickt. Es gab nicht viele, die davon wussten – nur seine verstorbenen Eltern, Onkel Reinald und Frederike. Sie schnitt ihm eigenhändig die Haare und sorgte dafür, dass kein grünes Härchen unter der Mütze hervorlugte.
Der kleine Prinz war ein einsames Kind. Seiner grünen Haare wegen durfte er nicht mit den Kindern der Höflinge spielen, nie jemand zu sich einladen. Sein einziger Zeitvertreib war eine Blockflöte, die ihm die Eltern vor ihrem so plötzlichen Tod geschenkt hatten. Wenn er im Schlossgarten darauf spielte, stellten selbst die Vögel das Zwitschern ein und die Bienen vergaßen das Summen, so lieblich klangen seine Melodien.
Mit klopfenden Herzen betraten Frederike und Robert den Thronsaal.
König Reinalds Rede war kurz und knapp. „Deine Eltern haben vor ihrem Tod bestimmt, dass ich so lange regiere, bis du alt genug bist, selbst den Thron zu besteigen. Doch heute ist erst dein zehnter Geburtstag. Deshalb wirst du die nächsten Jahre in einem fremden Land verbringen und erst zurückkehren, wenn ich es für richtig halte. Deine Zofe hat auf meinen Befehl hin alle Vorbereitungen zur Abreise getroffen. Draußen wartet die Kutsche, die dich in die Fremde bringen wird!“
Der kleine Prinz hätte gerne aufbegehrt, doch er wusste, es war zwecklos. Onkel Reinald war ein hartherziger Mensch. Als seine Eltern im letzten Jahr verunglückten, durfte er sie kein letztes Mal sehen und niemals deren Grab besuchen. Er wusste nun, warum man im Palast getuschelt und warum Frederike geweint hatte. Der Plan des neuen Herrschers, ihn wegzuschicken, war dem Hofstaat bereits zu Ohren gekommen. Aber wie hart der Onkel auch sein mochte, einen Geburtstagswunsch würde er ihm doch nicht verwehren!
Und so sagte Robert: „Bitte erlaube mir, an das Grab meiner Eltern zu treten, um mich zu verabschieden.“
Frederike blickte den Prinzen entsetzt an, als habe er etwas Furchtbares ausgesprochen.
König Reinald wurde blass. Sein Gesicht verzerrte sich.
„Das kann ich dir nicht gestatten“, antwortete er und zur Zofe gewandt befahl er: „Bring ihn weg!“
Der kleine Prinz wollte nicht weinen, er wollte tapfer sein, doch plötzlich rannen Tränen über seine Wangen. Sieben an der Zahl. Sie fielen als goldene Perlen zu Boden. Von des Königs Blicken, denen der Zofe und Roberts verfolgt, rollten sie durch den Thronsaal und schlüpften unter der Saaltür hindurch. Deutlich hörte man das Klicken der Perlen, als sie auf der breiten Treppe von einer Stufe zur nächsten hüpften. Danach herrschte Stille.
König Reinald saß wie versteinert auf seinem Thron. Das Klicken der goldenen Tränen hallte in seinen Ohren wieder. Die Zofe und den Neffen schien er vergessen zu haben. Frederike ergriff die Hand ihres Schützlings und eilte mit ihm nach draußen.
„Frederike, was war das? Was ist mit meinen Tränen geschehen?“, fragte Robert verwundert. „Wohin sind sie gerollt?“
Was sollte die Zofe dem Prinzen antworten? Das Herz war ihr schwer genug wegen des Abschieds und gleichzeitig hätte sie jubeln können. Die goldenen Tränen, die Robert geweint hatte, waren ein Zeichen ihrer Schwester Sapralotta. Es bedeutete: Mach dir keine Sorgen um den Prinzen, ich passe auf ihn auf! Frederike nahm daher Roberts kleine Hand in die ihre, drückte sie und sagte: „Die goldenen Tränen bedeuten Glück. Alles wird gut, mein Liebling!“
Kurz darauf saß Robert in der Kutsche. Der Kutscher ließ die Peitsche knallen und los ging die Fahrt ins Ungewisse. Solange es möglich war, winkte Robert der weinenden Frederike zu, die immer kleiner und kleiner wurde …
Robert war noch ein Kind, doch schon klug genug, um zu erkennen, was sein Onkel mit ihm vorhatte: Ab jetzt war er nicht mehr Prinz Robert, der einmal den Thron besteigen sollte, sondern nur noch Robert, der Junge mit den grünen Haaren, ohne Anrecht auf Krone und Reich.
Die lange Fahrt ging vorbei an Wiesen, Wäldern und Seen. Irgendwann wurde der kleine Prinz schläfrig, seine Augen wurden immer kleiner und dann war er eingeschlafen. Auch der Kutscher vorn auf dem Bock wurde schläfrig. Zuletzt fielen ihm ebenfalls die Augen zu und sein Kopf sank auf die Brust. Die Pferde trotteten im gleichen Tempo weiter, als sei ihnen der Weg bekannt.
Sobald die Kutsche über eine besonders holprige Straße rollte, wurde Robert wach und blickte nach draußen. Auf dieser Seite dehnte sich ein großes Meer. Es lockte ihn mit seinen weiß-schaumigen Wellenkronen. Einem inneren Drang folgend, öffnete er die Tür, warf seine Reisetasche nach draußen und sprang hinterher. Die Kutsche holperte weiter und bald war sie seinen Augen entschwunden.
Der Weg über den Strand bis zum Wasser war nur kurz. Robert warf die Tasche in den Sand, zog Schuhe und Strümpfe aus, bohrte die Zehen in den feuchten Untergrund und ließ sie sich von den anrollenden Wellen wieder sauber spülen. Ach, war das herrlich! Er vergaß alle seine Sorgen. Als er sich genug vergnügt hatte, nahm er die Flöte aus der Tasche und spielte. Aber diesmal gerieten ihm die Melodien so traurig, dass es einen Stein hätte erweichen können …

Marianne Schaefer wurde am 12.01.1938 in Landsberg/Warthe
geboren. Nach der Vertreibung aus der Heimat verbrachte sie ihre Kindheit
in Mittelfranken.
Sie arbeitete als Glasbläserin, Keramikmalerin, Verwaltungsangestellte,
und bis zum Ruhestand in einem Heim für geistig und körperlich
behinderte Menschen. Seit 25 Jahren wohnt sie in der Nähe von
Lahr/Schwarzwald. Sie ist verheiratet, hat drei Kinder, neun Enkelkinder   
und sieben Urenkel. 
Seit Jahren schreibt sie Geschichten für Erwachsene und Märchen für
Kinder, die in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden.
Ihre bisher veröffentlichten Kinderbücher haben teilweise mehrere
 Auflagen.
 „Sami, der kleine Elefant“, Sperling - Verlag.
„Annegret und der Zaubersee“, Sperling - Verlag.
„Schneeflocken außer Rand und Band“, Sarturia - Verlag.
„Der zerbrochene Spiegel“, im Sarturia - Verlag.
„Sieben goldene Tränen, Karina – Verlag – Wien.
„Erzählungen vom Winterkind“, Karina – Verlag – Wien.
 „Lilly und der Potzemockel“, Karina –Verlag – Wien.
Weitere Kinderbücher sind in Arbeit.
Homepage

Dienstag, 11. April 2017

Zacki Zack Ostereierei von Margareta Schenk

Ostereierei
Ein Austausch-Hase sorgt für Aufregung im Hasenland. Erst kommt er nicht rechtzeitig, dann verschwindet er wieder. Und auch beim Eier färben und verstecken - da ist er nur hinderlich. Wie wird das noch enden?
Ein Dieb im Hasenland
Max möchte seine Erfindung den anderen Hasen vorstellen. Aber - sie wird gestohlen. Zusammen mit seinen Freunden sucht Zack nach dem Dieb. Gelingt es ihnen, die kostbare Maschine zu finden und zurückzuholen?
PLUS Bastelanleitung für ein Memo-Spiel
Erhältlich bei Amazon




Der Austauschhase
 Zack zeigte seinen Freunden voller Stolz das Diplom der Hasenakademie. Er hatte es geschafft. Er war Osterhase!
„Morgen beginnen die Vorbereitungen für mein erstes Fest als Osterhase. Wir kriegen auch einen Austauschhasen aus dem Norden, einen Schneehasen. Sein Name ist Bodo. Morgen kommt er an. Max ist gestern schon abgereist.“
Leonie und Mathilde hörten aufmerksam zu und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Ein Osterhasentausch. Davon hatten sie noch nie gehört.
Am nächsten Morgen versammelten sich alle Tiere aus Wald und Feld in der Nähe des Bahnhofs. Es dämmerte und der erste Güterzug rollte langsam ein.  Ein paar Waggons wurden angehängt. Dann rumpelte der Zug wieder aus dem Bahnhof.
Doch wo war Bodo? Kein Schneehase weit und breit.


Ein Dieb im Hasenland
Zack tollte mit seinen Freunden auf der Hasenwiese. Sie spielten Verstecken und Fangen.
 Mathilde war am leichtesten zu finden. Sie konnte einfach ihren Schnabel nicht halten und gackerte auch in ihrem Versteck munter drauf los.
Bei Leonie war es schon schwieriger. Klein und wendig wie sie war, fand sie immer ein gutes Versteck. Vor lauter Neugier lugte sie aber immer wieder hervor, um zu sehen, wo Zack gerade suchte. So war es nicht verwunderlich, dass auch
sie bald gefunden wurde.
Mitten im Spiel tauchte Max auf.  Er hatte ein Talent, Dinge zu erfinden. Der kleine Hase hüpfte ganz aufgeregt herum, denn jemand hatte seine Eierwurfmaschine gestohlen.







Die Autorin:
Margareta Schenk, geb. 1952 im Saarland, lebt mit ihrer Familie in Bayern. Bereits als Kind erzählte sie ihren Geschwistern ihre erfundenen Geschichten. Später schrieb sie kleine Gedichte über alltägliche Begebenheiten.
Die ausgebildete Krankenschwester und Vorsitzende des Vereins „Future for children e.V.“ aus Schrobenhausen, hat  eigene Erlebnisse und fantasievolle Ideen in zahlreiche Geschichten und Märchen verwandelt.
Sie absolvierte ein Schreibstudium und veröffentlichte schon nach kurzer Zeit ihr erstes Märchenbuch Mias Traum. Die Fortsetzung Mias Abenteuer  ließ nicht lange auf sich warten.
Kurzgeschichten, Märchen und fantastische Erzählungen sind ihre bevorzugten Genres.

Dienstag, 4. April 2017

Leuchtturm der Abenteuer 05. Der Stein der Riesen von Karim Pieritz



Klappentext
Ein böser Eisdrache friert den magischen Kristall von Himmelblau und alle Erwachsenen der Kristallstadt ein. Jetzt funktioniert die Magie nicht mehr richtig. Die einzige Hoffnung für die Eingefrorenen ist eine "singende Murmel", doch dafür müssen Michael und seine Freunde in den gefährlichen Norden zu den Riesen.
Auf ihrer Reise dorthin begegnet ihnen der Riese Fari. Er ist traurig, weil ein böser Zauberer seine Tochter vergiftet hat, um einen magischen Stein zu stehlen. Das Kind ist schwer krank weggelaufen, um am Nordpol zu sterben, wie es bei den Riesen Tradition ist. Das Bärenmädchen Sali möchte das Kind retten, doch sie müssen auch den bösen Zauberer verfolgen, weil er mit dem gestohlenen Stein den Planeten zerstören will!
Sollen sie das Riesenmädchen für einen höheren Zweck opfern, obwohl sie es retten könnten? Begleite unsere Helden auf ihrer unglaublichen Reise vom Land der tanzenden Berge bis zum Nordpol, wo die Magie Himmelblaus zuhause ist.
Erhältlich bei Amazon, Thalia und Weltbild.

Leseprobe

Das Spielzeugparadies
Es ist Weihnachtszeit und Immergrün liegt unter einer dichten Schneedecke. Gaslaternen tauchen die Stadt in ein warmes Licht und über die schneebedeckten Straßen ziehen Mütter und Väter ihre Kinder auf Schlitten in die festlich geschmückte Innenstadt. Viele Geschäfte laden die Passanten zu einem Schaufensterbummel ein, darunter ist auch das Spielzeugparadies, der Traum jeden Kindes in Immergrün. Am Vormittag des Heiligen Abends ist ein Besuch dort jedoch der Albtraum der Eltern, denn kein Kind will freiwillig wieder gehen. Ein prächtiger Weihnachtsbaum steht am Eingang des großen Ladens und bunt dekorierte Gänge führen zu den Spielsachen für Jungen und Mädchen.
Der 9-jährige Elfenjunge Purzel besucht seit einigen Wochen seinen Freund Michael auf der Erde. Um nicht aufzufallen, versteckt Purzel seine Flügel unter dem dicken Wollpullover, den ihm Michaels Mutter zum Nikolaus geschenkt hat. Wenn er den bunten Leuchtturm darauf anschaut, bekommt er großes Heimweh. Ob ihn seine Eltern nach der langen Zeit noch wiedererkennen? Wie mag es ihnen gehen? Wer weiß, was die böse Bruderschaft vom grünen Mond gerade ausheckt? Diese Fragen quälen ihn und er denkt immer öfter an die Rückkehr in vier Wochen. Wie schön wäre es, wenn er vorher kurz zuhause nachsehen könnte. Um ihn etwas aufzumuntern, hat Michael ihn in das Spielzeugparadies mitgenommen. »Hier ist ein geheimes Zwischenlager eines magischen Wesens, das am Nordpol Geschenke herstellt und diese auf der Erde verteilt«, hat Michael erzählt. Als Purzel gefragt hat, ob das Wesen das alles alleine macht, hat er geantwortet: »Ihm helfen andere Wesen mit spitzen Ohren.« Dann hat er gelacht. Das hat Purzel nicht verstanden - bis jetzt!
Purzel steht vor einem Schlitten, vor den paarweise vier bunte Pferdefiguren gespannt sind. Darin sitzen zwei Figuren: ein dicker Mann in einem roten Bademantel mit einem langen weißen Vollbart und vor ihm auf dem Kutschbock ein kleines Wesen mit spitzen Ohren. Purzel lächelt grimmig. »Ihr werdet was erleben«, sagt er und zieht Jacke und Pullover aus.
*
Der 9-jährige Eduardo ist im Sommer mit seinem Vater in Amerika gewesen. Dort hat er viele Abenteuer erlebt, von denen er gerne seinem Freund Michael erzählt. Beide laufen gemeinsam durch einen Gang des Spielzeugparadieses. Sie stoppen bei einem Roboter aus kleinen Bausteinen, der ihnen bis zum Bauchnabel reicht.
»R2D2 würde in meinem Zimmer cool aussehen«, sagt Michael.
»Solange er nicht mit Atombomben wirft«, sagt Eduardo.
»Wie denn?«, fragt Michael und grinst. »Er hat doch gar keine Arme.
»Die schießt er einfach aus einer Klappe im Bauch«, antwortet Eduardo und lacht.
»Es ist so krass, dass du den Bärenkampfroboter auf dem Mars gesehen hast«, sagt Michael. »Haben die Wissenschaftler wirklich nichts bemerkt?«
»Nee«, antwortet Eduardo. »Aber seit der Atomexplosion regnet es auf dem Mars und das haben sie bemerkt.«
»Echt jetzt?«, staunt Michael.
»Ja, aber das ist geheim«, flüstert Eduardo.
»Was ist geheim?«, fragt eine Jungenstimme hinter ihnen.
Michael dreht sich um und erkennt Tim und Jan. »Die Sache mit dem Leben auf dem Mars«, antwortet er. »Und die Sache mit der magischen Taschenlampe.«
»Und dass Purzel Flügel hat«, sagt Tim und grinst. »Wo ist er überhaupt?«
Die Kinder schauen sich um. »Verschwunden«, sagt Eduardo.
»Oh nein«, stöhnt Michael. »Er kennt sich hier doch nicht aus.«
»Okay«, sagt Tim, »wir suchen ihn. Ihr geht da lang und Jan und ich durchsuchen diesen Gang.«
»Wieso sollen wir da suchen?«, fragt Eduardo. »Da gibt’s doch nur langweiliges Mädchenzeug.«
»Ist schon okay«, sagt Michael. »Wir wollen ja nix kaufen.«
Michael und Eduardo gehen an zahllosen Puppen, Spielküchen und Regalen mit rosafarbenen Kartons vorbei. Eduardo bleibt stehen und starrt ungläubig auf das Preisschild an einem kleinen Palast mit Türmen. »Guck mal, was das Teil kostet«, ruft er.
Michael schaut hin und schüttelt den Kopf. »Da bekommt man ja einen halben Todesstern für.«
»Dann nehme ich lieber den halben Todesstern«, sagt Eduardo.
Sie gehen weiter und halten bei einem Weihnachtsschlitten an, in dem eine Elfen- und eine Weihnachtsmannfigur sitzen.
»Wo kann Purzel nur sein?«, fragt Michael und lehnt sich an den Schlitten.
»Ho ho ho«, sagt eine Stimme.
»Cool«, sagt Eduardo. »Die Figuren haben Lautsprecher.«
»Er muss doch hier irgendwo sein«, sagt Michael. »Lass uns weitersuchen.«
*
Nachdem sie alle Gänge mit Mädchen-Spielzeug abgesucht haben, bleiben sie mit hängenden Köpfen stehen.
»Mist«, schimpft Michael. »Wir gehen jetzt in die Jungs-Abteilung. Vielleicht haben Tim und Jan ihn gefunden.«
Tim und Jan sind leicht zu finden, denn schon von Weitem kann man sie hören.
»Wenn ihr nicht auf meiner Seite steht, dann seid ihr mein Feind!«, schreit Jan und bedroht Tim mit einem leuchtenden Lichtschwert.
»Es ist vorbei Anakin. Ich stehe deutlich über dir«, antwortet Tim und sein Lichtschwert knallt auf Jans.
»Na toll«, schimpft Michael. »Ihr wolltet doch Purzel suchen.«
»Ihr unterschätzt meine Macht«, ruft Jan, ohne auf ihn zu achten.
»Ho ho ho«, dröhnt eine sehr laute Stimme und alle Jungs erstarren.
»Das kam aus dem Gang mit dem Schlitten«, sagt Eduardo und rennt los. Jan und Tim legen ihre Lichtschwerter ins Regal zurück und folgen ihm.
»Natürlich«, ruft Michael und klatscht seine Hand gegen die Stirn, »der Weihnachtself, der hatte ja Flügel! Wie konnte ich das übersehen?« Dann läuft auch er los.
Der Rote Mann
Purzel sitzt im T-Shirt mit sichtbaren Flügeln auf dem Kutschbock eines Weihnachtsschlittens, der von vier bunten Pferden mit putzigen Frisuren gezogen wird. Vorne steht ein Pony mit blauem Fell und hellblauer Mähne neben einem rosafarbenen Pony mit knallroter Mähne. Dahinter erkennt Michael Ponys in den Farben gelb und grün. Im Schlitten sitzt der Weihnachtsmann. Purzel strahlt über beide Spitzohren.
»Das ist ja peinlich«, lacht Tim und klopft sich auf die Schenkel.
Michael schüttelt den Kopf. »Purzel«, ruft er vorwurfsvoll. »Komm da runter. Wenn dich jemand so sieht!«
Doch Purzel bleibt sitzen und grinst. »Ich bin ein Weihnachts-Elf und muss noch viel arbeiten.«
»Das ist ein Mädchen-Weihnachtsschlitten«, erklärt Michael. »In so was setzen Jungs sich nicht.«
»Wieso ist das ein Mädchen-Schlitten?«, fragt Purzel.
»Bunte Ponys mit bunten Frisuren«, sagt Tim. »Deutlicher geht es ja kaum.«
»Also sind bunte Sachen nur für Mädchen?«, fragt Purzel.
»Nein«, antwortet Tim, »nur peinliche Sachen.«
»Aber wann ist denn etwas peinlich?«, fragt Purzel weiter.
»Das ist kompliziert«, antwortet Michael. »Sowas weiß man einfach. Jetzt zieh dir den Pullover wieder an.«
Purzel rührt sich nicht. »Ihr wisst doch, dass man im Winter nicht nach Himmelblau reisen kann, weil man sonst hoch über dem Leuchtturm erscheint und abstürzt?«
»Ja«, antwortet Michael und nickt.
»Sali hat uns zu ihrer Ernennung zur Zauberin eingeladen«, sagt Purzel. »Das geschieht heute bei einer tollen Feier in der Kristallstadt, und wir sind nicht dabei.«
»Das ist ja schade«, sagt Michael.
»Aber wisst ihr was?« Purzel deutet mit den Armen auf den Ponyschlitten. »Hiermit können wir dabei sein.«
»Wie meinst du das?«, fragt Jan.
»Wenn wir den Schlitten mit einer magischen Taschenlampe anleuchten, dann werden die Ponys lebendig«, erklärt Purzel. »Mit etwas Zauberei sorge ich dafür, dass Ponys und Schlitten fliegen können. So können wir alle sicher auf Himmelblau landen.«
»Ich kann auch zaubern, seit uns der Drache Feuersturm mit goldenem Staub eingesprüht hat«, sagt Tim. »Das könnte ich auch machen.«
»Ich auch«, sagt Jan.
Alle Blicke richten sich auf Michael. »Ich übe noch«, sagt er und blickt auf seine Füße.
»Quatsch«, entgegnet Tim, »du traust dich nur nicht.«
»Stimmt nicht«, widerspricht Michael und schüttelt den Kopf.
»Er wird es noch lernen«, verspricht Purzel. »Bei einigen dauert das manchmal etwas länger. Jedenfalls können wir jetzt einen kurzen Besuch auf Himmelblau machen. Wer kommt mit?«
»Ich«, ruft Tim.
»Und ich«, ruft Jan.
»Ich komme auch mit«, sagt Michael. »Aber zum Essen müssen Purzel und ich wieder zuhause sein, also in drei Stunden.«
»Das sind neun Stunden auf Himmelblau«, freut sich Purzel. »Das reicht für eine tolle Party. Habt ihr eine Taschenlampe dabei?«
Michael und Jan wühlen in ihren Rucksäcken. »Eigentlich müsste sie drin sein«, sagt Jan, »aber vielleicht liegt sie auch in meinem Zimmer.«
»Hallo Billy«, sagt Michael und sucht weiter herum. Dann zieht er seine bunte Taschenlampe heraus und hält sie stolz in die Höhe.
»Du hast Billy dabei?«, fragt Purzel.
»Klar«, antwortet Michael, »aber leider ist er immer nur wach, wenn der Mond scheint. Und momentan scheint er nur in der Nacht. Immer wenn ich einschlafen will, wird er munter und redet los. Das nervt vielleicht.«
»Lisa hat einen Hamster«, sagt Tim, »der wird auch mitten in der Nacht munter.«
»Billy ist doch kein Haustier«, sagt Michael. »Er ist eher wie ein Bruder.«
»Flatty ist auch immer nur wach, wenn der Mond scheint«, sagt Jan.
»Dein Flederschwein ist total süß«, sagt Eduardo. »Vielleicht könnt ihr mir eins mitbringen?«
»Kommst du denn nicht mit?«, fragt Jan.
»Leider nicht, meine Eltern fliegen gleich mit mir und meinem Bruder zu meinen Großeltern nach Spanien«, antwortet Eduardo.
»Dann kannst du uns vielleicht mit der Taschenlampe anleuchten?«, fragt Purzel.
»Aber klar doch«, antwortet Eduardo.
Michael reicht ihm seine Lampe und setzt den Rucksack wieder auf.
»Den Weihnachtsmann wollt ihr aber nicht mitnehmen, oder«, fragt Eduardo.
»Nein«, sagt Michael.
»Obwohl«, grübelt Tim. »Würde die Figur dann nicht lebendig werden?«
»Ach du Schreck«, ruft Michael. »Dann gäbe es ja einen zweiten Weihnachtsmann!«
»Das wäre doch super«, freut sich Tim. »Dann bekommen alle Kinder auf der Welt noch ein Extra-Geschenk.«
Alle lachen, nur Purzel ist kreidebleich.
»Was ist los?«, fragt Michael.
»Jetzt verstehe ich es!«, ruft Purzel und seine Ohren zucken.
»Was denn?«, fragt Tim.
»Das Märchen vom Roten Mann«, sagt Purzel. »Das ist eine Gutenachtgeschichte von meinem Opa Eichel.«
»Erzähl mal«, sagt Tim.
»Mein Opa war als Junge sehr oft an einem Ort namens Central Park, wo auch eine magische Eiche steht«, erzählt Purzel.
»Der Central Park ist in New York«, sagt Tim. »Cool, da war ich auch schon mal.«
»Eines Tages erwischte ihn ein Mädchen aus dem Park dabei, wie er gerade aus dem Astloch kletterte und groß wurde«, erzählt Purzel.
»Ach du Schreck«, sagt Michael.
»Ihr Name war Sophie. Sie wurden die besten Freunde und erlebten unglaubliche Abenteuer in New York. Später haben sie geheiratet und mehrere Kinder bekommen, darunter war auch meine Mama Ellie.«
»Deine Großmutter kommt also von der Erde?«, fragt Tim.
»Ja, ich bin zu einem Viertel ein Erdling«, lacht Purzel. »Bei einem Ausflug in die Stadt gingen die beiden in ein Warenhaus. Dort stand jedes Jahr ein Weihnachtsschlitten, so wie dieser hier, nur mit Rentieren anstelle von bunten Ponys. Oma Sophie war aufgefallen, dass Opas Augen immer so glänzten, wenn sie von Weihnachten sprach. Sie wollte ihm eine Überraschung machen und schickte den Schlitten mit ihrer Taschenlampe nach Himmelblau.«
»Also hat sie das gemacht, was wir gerade vorhaben?«, fragt Michael.
»Ja«, sagt Purzel. »Vermutlich bin ich deshalb auch auf diese Idee gekommen.«
»Und was ist mit der Figur und dem Rentierschlitten passiert?«, fragt Eduardo.
Purzel wird rot im Gesicht. »Nun ja«, sagt er, »der Mann wurde lebendig und lebte einige Zeit in der Kristallstadt.«
»Und dann?«, fragt Michael.
Purzel reibt sich seine Ohren, die sich langsam beruhigen. »Er wurde berühmt als der Rote Mann, der Kindern Geschenke bastelt. Die Elfen liebten ihn und eines Tages ...«
»Ja?«, fragt Michael ungeduldig.
»Eines Tages ist er mit ein paar Elfen zurück zur Erde gegangen«, sagt Purzel. »Die Leute sagten, er wollte dort Spielzeuge herstellen und verschenken.«
Alle Kinder starren Purzel mit großen Augen an. Nach einer längeren Pause sagt Michael: »Dann hat dein Großvater den Weihnachtsmann erschaffen?«
»Keine Ahnung«, sagt Purzel. »Es ist nur eine Gutenachtgeschichte und wer weiß, ob sie wahr ist.«
»Dein Opa weiß es«, sagt Tim.
»Und deine Oma«, ergänzt Michael.
»Sie sind in der Kristallstadt bei der Feier dabei«, sagt Purzel. »Dort können wir sie ja fragen. Jetzt helft mir mal bitte, die Figur aus dem Schlitten zu heben. Wir wollen doch keinen zweiten Roten Mann lebendig machen.«
Die Jungs lachen, dann schaut Michael sich nach allen Seiten um. »Die Luft ist rein«, sagt er verschwörerisch und gemeinsam heben sie den Weihnachtsmann herunter. Sie stellen ihn neben der Elfenfigur ab, die Purzel zuvor hinter den Schlitten gestellt hat. Danach klettern Michael, Tim und Jan hinein und setzen sich auf die einzige Bank. Purzel sitzt vor ihnen auf dem Bock und nimmt die Zügel in die Hand.
»Viel Spaß«, sagt Eduardo.
»Du kommst nächstes Mal mit«, sagt Michael.
Eduardo schaltet die Lampe ein und mit einem lauten Knall sind sie unterwegs.

Autorenvita

Karim Pieritz wurde 1971 in Berlin geboren und lebt dort mit seiner Familie. Mit dem Schreiben von Geschichten begann er schon als Fünftklässler. Bis zum Abschluss seines Studiums der Nachrichtentechnik schrieb er zahlreiche Kurzgeschichten, doch im Berufsalltag als IT-Berater fehlte ihm die Zeit für seine Leidenschaft. Als sein Sohn immer wieder neue Gutenachtgeschichten von ihm erzählt bekommen wollte, weckte das seine verloren geglaubte Inspiration. Er schrieb seine fantasievollen Abenteuer auf und erschuf so die Kinderbuch-Reihe »Leuchtturm der Abenteuer« für Leseanfänger. Von 2013 bis 2016 erschienen sechs Kinderbücher, vier Erstlesebücher und ein deutsch-englisches Buch der mittlerweile abgeschlossenen Reihe. 2017 erschien sein erstes Jugendbuch »Die Jagd nach dem geheimnisvollen Rollsiegel«, eine Fortsetzung ist geplant.