Klappentext
Als das Gold im Bergwerk
erschöpft ist, verlieren alle Goldgräber ihre Arbeit, und das ganze Dorf beginnt
zu hungern. Der kleine Polepole aber hofft noch immer, im Inneren des Berges
Schätze zu finden. Er macht sich auf in das verlassene Bergwerk und entdeckt
dort ein Zauberreich, den Inneren Urwald, wo er wilde Abenteuer bestehen muss,
bevor ihn seine Reise nach Innen zum Ziel seiner Wünsche führt.
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Leseprobe
Alles war still. Keine Männer
mit Helm und Spitz-hacken mehr, keine quietschenden Loren. Polepole lief auf das
dunkle Loch im Berg zu und schlüpfte in das stillgelegte Bergwerk. Einsam und
verlassen standen auf den Schienen die Loren, die früher das Gestein voller
Goldstaub befördert hatten. Eine Feldmaus sprang auf den Rand einer Lore und sah
Polepole an.
Das Gold war erschöpft, so
hieß es. Alle Goldgräber saßen auf der Straße. Auch Polepoles Vater. Das ganze
Dorf war langsam am Verhungern.
Polepole kletterte in eine
der rostigen Loren, hielt den Vorderrand wie eine Lenkstange fest und stellte
sich vor, er rollte damit in die Stollen. »Vielleicht haben sie nicht tief genug
gegraben«, sagte er sich. »Wenn ich ganz tief reinfahren und eine neue Goldader
entdecken könnte, hätten alle wieder Arbeit und was zu
essen.«
»Nicht dumm, mein Junge«,
ertönte eine Stimme aus dem Dunkel. Erschrocken blickte er sich um. Im
Halbdunkel stand ein uralter Mann, dessen schwarzes Gesicht von weißem Kraushaar
und Bart umrahmt war.
Polepole fasste sich ein
Herz. »Wer bist du?«, fragte er.
»Fundi la Neno, der Meister
des Wortes. Wenn du nach Schätzen suchst, dann bist du hier
richtig.«
»Alle sagen, es gäbe kein
Gold mehr in der Mine«, warf Polepole ein. »Kennst du vielleicht noch eine
versteckte Ader?«
»Ich rede nicht von Erz und
Gold«, sagte der Alte. »Ich rede von einem viel größeren Schatz: vom
Spiegelsee.«
»Spiegelsee?« Polepole
schaute den Alten mit großen Augen an. Davon hatte er noch nie
gehört.
»Er liegt im Inneren Urwald,
an der tiefsten Stelle, ganz verborgen. Die meisten Menschen wissen nichts
davon. Aber der Spiegelsee birgt ein großes Geheimnis: Wenn der Wasserspiegel
ganz still ist, spiegeln sich darin deine Wünsche. Und jeder Wunsch, den du im
Wasser siehst, geht in Erfüllung.«
»Au ja!« Diesen See wollte
Polepole unbedingt finden. »Und wie komme ich dort hin?«
»Durch den Inneren Urwald«,
sagte Fundi la Neno. »Auf dem Weg begegnet dir manches, was dir den Weg
versperrt. Aber wenn du dein Ziel im Auge behältst, wirst du es schaffen. Komm
mit.«
Polepole kletterte aus der
rostigen Lore und folgte Fundi la Neno tiefer in den Stollen hinein. Der Stollen
war dunkel, aber warm. Als die Schienen bergab gingen, blieb Fundi la Neno
stehen und wartete, bis Polepole neben ihm stand. »Ich gebe dir jetzt ein
Zauberwort, das dir hilft, den Weg zu finden. Kannst du ein Geheimnis bewahren?«
Polepole
nickte.
Da flüsterte ihm Fundi la
Neno ein seltsames Wort ins Ohr. »So heißt deine Nenolore«, sagte er. »Wenn du
ihren Namen wiederholst, erscheint sie unter dir und fährt dich zum
Spiegelsee.«
Polepole sah nirgends eine
Lore. Als er aber das Wort wieder-holte, fand er sich plötzlich in einer Lore
sitzen, die aus purem Gold zu sein schien. Und sie bewegte sich ... Er hatte das
Gefühl, abwärts zu rollen ...
»Wenn du merkst, dass du die
Lore verloren hast«, sagte Fundi la Neno, »denke einfach wieder ihren
Namen.«
Polepole dachte den Namen,
und die Lore rollte und rollte, immer steiler bergab, immer schneller und
schneller, durch einen endlos langen Tunnel. Polepole wurde mulmig zumute, er
dachte schon, der Tunnel höre nie auf. Endlich gewahrte er weit vor sich ein
schwa-ches, gelbliches Licht, das langsam heller wurde, je näher er kam, bis der
Tunnel in einen warmen, dampfenden Urwald mündete.
Bunte Vögel saßen auf den
Bäumen, tschiepten und tschepten. Zwischen großen Blättern und baumhohem Farnen
standen Bananenstauden und Palmen. Die Lore rollte mit Schwung in ein Tal und
wieder bergauf.
Plötzlich flog etwas
haarscharf an seinem Kopf vorbei. Er konnte sich gerade noch ducken. Die Lore
fuhr langsamer, kam ins Stocken. Links und rechts raschelte es im Gebüsch.
Anscheinend hatte er heimliche Begleiter. Da – flutsch! Ein zweites Geschoss
flog knapp an ihm vorbei.
Aus schwankenden Palmenwedeln
erklang ein keuchendes Gelächter. Das hörte sich an wie
Affen.
Er hob den Kopf und spähte in
die Palmenwipfel. Sofort verstummte das Lachen. Auch das Rascheln der Blätter
hörte auf. Nur die schwankenden Wedel verrieten, dass hier gerade jemand durch
die Palmen gesprungen war.
Mit einem Ruck kam die Lore
zum Stehen. Eine kräftige, behaarte Hand umklammerte den Vorderrand der Lore und
eine heisere Stimme rief: »Hände hoch!«
Polepole schreckte zusammen.
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