Mats ist begeistert von einem alten Buch über einen
Pfadfinderjungen namens Werner – schließlich ist der immer glücklich, und zwar,
weil er jeden Tag mindestens eine gute Tat tut und anderen Menschen hilft.
Kurzerhand beschließt Mats, es Werner nachzumachen. Er fühlt sich nämlich gerade
ein bisschen unglücklich, weil er mit seinen Eltern in eine andere Stadt gezogen
ist. Doch es scheint gar nicht so einfach, wie Werner zu sein. Bei seinen
Eltern, bei den Leuten im Haus, bei einer alten Frau auf der Straße, der er die
Tasche nach Hause tragen will – überall eckt Mats an. Und dann passiert auch
noch die Sache mit der Spende für hungernde Kinder in Afrika ... Mats kommen
Zweifel: Ob er sich in Werner das richtige Vorbild ausgesucht hat?
Eine turbulente Geschichte zum Schmunzeln für Kinder ab 6
Jahre, erhältlich bei Amazon.
Leseprobe:
1.
Wölfling
Werner tut täglich eine gute Tat
Als Großonkel Hermann
einmal zu Besuch kam, brachte er Mats ein Buch mit. Es stammte aus der Zeit, als
er in Mats‘ Alter war. Mats konnte sich seinen Onkel als Jungen gar nicht
vorstellen, doch er musste wohl mal einer gewesen sein. Damals mochte Onkel
Hermann die Geschichte gar nicht mehr aus der Hand legen, so toll fand er sie!
Man sah dem Buch sein
Alter übrigens an: Das Papier hatte sich im Laufe der Jahre gelblich verfärbt
und der Buchrücken war zur Hälfte lose. Der Junge auf dem Bild vorne drauf trug
altmodische, kurze Hosen, viele Abzeichen an seinem dunkelgrünen Hemd und ein
Tuch um den Hals, das aussah wie eine Art Schlips.
Der Titel machte Mats
neugierig: „Wölfling Werner“. „Wölfling“, das Wort gefiel ihm, obwohl er keine
Ahnung hatte, was es bedeutete. Onkel Hermann erklärte ihm, dass Wölflinge acht-
bis zwölfjährige Pfadfinder sind. Mit anderen Worten: Wenn Mats ein Pfadfinder
wäre, würde er zur Gruppe der Wölflinge gehören.
Unter Pfadfindern
konnte Mats sich ebenfalls wenig vorstellen, also las er das Buch, um etwas über
sie herauszufinden. Pfadfinder, stand da, trafen sich regelmäßig und machten
tolle Sachen zusammen. Zum Beispiel fuhren sie in ein Zeltlager oder gingen auf
Erkundungstouren im Wald und erlebten eine Menge Abenteuer. Vor allen Dingen
wollten Pfadfinder gute Menschen sein. Deshalb versuchten sie, jeden Tag
mindestens eine gute Tat zu tun.
Wölfling Werner erwies
sich in dieser Beziehung als erstaunlich findig. Ihm fiel immer was ein, wie er
anderen Menschen helfen konnte. Manchmal vollbrachte er sogar mehrere gute Werke
an einem Tag. Und deshalb, hieß es in dem Buch, war Werner bestimmt einer der
glücklichsten Jungen in der ganzen Stadt, denn wenn man andere glücklich macht,
wird man selbst auch glücklich.
Das ging Mats nicht
mehr aus dem Kopf. Er selbst war nämlich im Moment nicht besonders glücklich.
Genau genommen war er sogar ziemlich unglücklich. Vor kurzem war er mit seinen
Eltern von einem kleinen Ort in Sachsen in diese Großstadt gezogen, weil Papa
hier eine neue Arbeit gefunden hatte. Jetzt wohnten sie in einem Hochhaus, in
dem es unglaublich viele Leute gab. Mats glaubte nicht, dass er die jemals alle
kennen lernen würde.
In seiner neuen Schule
fühlte er sich auch nicht wohl. Seine Lehrer machten einen ganz netten Eindruck,
vor allem Frau Basten, die Klassenlehrerin. Aber seine Mitschüler kicherten
immer über ihn, weil er komisch sprach. Zumindest fanden sie das. Mats fand das
gar nicht. Da, wo er herkam, sprachen alle so – Sächsisch halt. Seine
Klassenkameraden waren eben doof! Nur Sören, der neben ihm saß, schien ganz in
Ordnung.
Mats überlegte, ob es
etwas bringen würde, wenn er Wölfling Werners Trick mal ausprobierte und anderen
half. Ein Versuch konnte zumindest nicht schaden.
Bloß – wen sollte er
glücklich machen und wie? Er nahm das Buch noch einmal zur Hand, um sich genauer
anzusehen, wie Werner das immer schaffte. Vielleicht konnte er es ihm ja einfach
nachmachen.
2.
Werner ist
gut in der Schule
Gleich auf den ersten
Seiten wurde Werner als großartiger Junge beschrieben. Ein leuchtendes Beispiel
für alle. Seine Lehrer freuten sich über ihn, weil er fleißig und ordentlich war
und immer die besten Noten von allen hatte. Darüber freuten sich seine Eltern
natürlich auch. Und als er einmal eine schlechtere Note bekam, traf ihn keine
Schuld. Er konnte nur nicht lernen, weil er für eine alte, kranke Frau einkaufen
gehen musste.
Dass Werner ein
dermaßen guter Schüler war, beunruhigte Mats. Seine eigenen Leistungen konnte
man mit etwas gutem Willen höchstens als mittelprächtig bezeichnen, vor allem im
Rechnen. Das machte ihm einfach keinen Spaß. Deshalb sah sein Matheheft auch
noch unordentlicher aus als die anderen Hefte.
Aber so schnell wollte
er die Flinte nicht ins Korn werfen. Werner gab auch niemals auf. In zwei Tagen
sollte die erste Arbeit in der neuen Klasse geschrieben werden, und dafür würde
er nun üben, üben, üben - bis er schwarz wurde.
Mats setzte sich an den
Tisch und wiederholte sämtliche Mathehausaufgaben, die sie aufbekommen hatten,
seit er in diese Klasse ging. Es waren nicht unendlich viele zusammengekommen,
also machte er die Übungen ein zweites Mal. Beim dritten Mal kannte er die
Ergebnisse zum Teil schon auswendig.
Mats legte den Stift
hin. Es machte keinen Sinn, Lösungen auswendig zu wissen, denn in der Arbeit
kamen bestimmt andere Aufgaben dran. Und noch was fiel ihm ein: Wenn er eine
Eins oder Zwei schriebe, würde sich Frau Basten höchstwahrscheinlich gar nicht
besonders freuen. Sie wusste ja nicht, dass er normalerweise schlechtere Noten
in Mathe bekam, und sie konnte nicht ahnen, wie sehr er sich angestrengt
hatte.
Bei seinen Eltern sah
die Sache anders aus. Die würden sich zweifellos freuen. Seufzend griff Mats
wieder nach dem Stift.
Seine Mutter kam
herein. „Du sitzt ja immer noch an den Hausaufgaben!“, rief sie.
„Ich übe für die
Mathearbeit“, erklärte Mats und erwartete, dass sie augenblicklich in helle
Begeisterung verfiel.
„Das ist schön“, sagte
sie auch, doch dann fügte sie hinzu: „Aber ich denke, für heute hast du genug
gearbeitet. Es ist herrliches Wetter. Geh lieber ein bisschen draußen
spielen.“
Mats war platt. Da tat
er mal, was die Eltern ihm dauernd predigten, und nun schien seine Mutter
trotzdem nicht zufrieden.
(...)
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