Eine Geschichte für Zwischendurch, zum Vorlesen oder alleine lesen.
Fünf Kinder entdecken einen Drachen, verlieren ihn und machen sich auf ihn
wieder zu finden … Für alle, die gerne spielen, ab fünf Jahren.
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Leseprobe
Wer
hat Angst vorm Drachen? Niemand!
Ein Drache. Er nähert sich. Er ist grün und
blau und mit dunklen Punkten. Nein, das sind keine Punkte, das sind Flecken.
Große weihnachtsbaumgrüne Flecken. Miro, Lotte, Sven, Fabian und Laslo, die
Kinder aus dem Lagerhaus, ducken sich hinter eine zerbrochene Fensterscheibe
und schielen auf den Parkplatz. Sie sind auf zerbeulte Reifen geklettert, um
besser sehen zu können. Draußen schüttet es.
In dem verlassenen Lagerhaus gibt es sonst nur
noch ein paar Tische, Stuhlbeine und Eimer, in denen einmal Farbe gewesen sein
muss. Und die Reifen. Wenn es regnet bauen sie gerne Reifenburgen. Mitten beim
Reifen Schleppen hat Miro den Drachen entdeckt.
Kein Auto der Welt würde sich auf diesem
ehemaligen Parkplatz bewegen. Aber ein Drache. Er platscht mit seinen
quallenförmigen Pranken von Asphaltloch zu Asphaltloch, von Pfütze zu Pfütze.
Je tiefer die Pfütze, desto weiter und lauter spritzt das Wasser. Er scheint es
zu genießen. Das Wasser perlt an seiner Haut ab, der lange Rücken windet sich
unter den Tropfen wie Papa unter der Dusche.
„Wie der wohl heißt?“, fragt Lotte.
„Wir könnten ihn 'Theodor' nennen“, schlägt
Fabian vor. Fabian kennt Namen, weil seine Stiefmutter gerade ein Baby bekommen
hat.
„Du spinnst. Theodor ist kein Drachenname“,
antwortet Lazlo.
„Und was ist ein Drachenname?“, fragt Fabian
zurück.
„Hugo.“
Lotte brüllt vor Lachen. Miro bleibt stumm. Er
sieht dem Drachen in die Augen und entdeckt ein Leuchten, dass er so noch nie
gesehen hat. Die Augen strahlen glücklich und erzählen gleichzeitig von einem
sehr traurigen Erlebnis. Ein Königreich gefangen in einem Drachenleben auf
einem Parkplatz mit Asphaltlöchern.
„Nechard können wir ihn nennen“, sagt Sven.
„Das ist voll einfallslos. Einfach Drachen von
hinten!“, schnaubt Lotte.
So streiten sie ein Weilchen.
„Also bleibt es bei Nechard“ beschließt Miro am
Abend, eh jeder nach Hause geht.
Nechard hatte sich in der Zwischenzeit ein
besonders großes Asphaltloch gesucht und hineingelegt. Jetzt schnarcht er.
„Wir können es wagen, an ihm vorbei zu gehen!“
schlägt Lazlo vor.
„Keiner verrät etwas zu Hause“, befiehlt Sven.
Er spielt gerne den Anführer.
„Warum?“, fragt Miro.
„Weil sie sonst kommen und Nechard für den Zoo
holen.“
„Wir könnten hier doch einen eigenen Zoo
aufmachen!“
Das ist ein guter Entschluss! Dann schleichen
sie hintereinander, Miro, Sven, Lazlo, Fabian und zum Schluss Lotte, aus dem
Lagerhaus heraus.
„Hoffentlich ist er morgen noch da!“, flüstert
Lotte zum Abschied.
Der Drache grunzt, als sie auf seiner Höhe
sind. Er hebt den Kopf. Lazlo zittert am meisten, er ist der kleinste und ‑ er
hatte Angst vor Drachen.
Miro schleicht weiter. „Nicht beachten, ganz
ruhig bleiben, dann bleibt er auch ruhig!“
Geschafft. Sie erreichen das Tor, das sie aus
dem Parkplatz heraus auf die Straße führt.
Miro, Sven, Lazlo, Fabian und Lotte haben Glück.
Auch am nächsten Tag liegt Nechard an seinem Platz in der Pfütze und schläft.
Vorsichtig schleichen sie an ihm vorbei. Lazlo geht heute sogar ein paar
Schritte auf ihn zu und spitzt in die Nasenlöcher.
„Da ist kein Feuer drin“, verkündet er, als er
sich wieder in sicherem Abstand und bei den Anderen steht.
Sie warten. Lotte nähert sich als Nächste. Sie
bückt sich über eine Pfote, streckt ihre Hand aus ‑ gerade als sie die Haut
fast berührt, schnauft Nechard. Lotte rennt zurück. „Die Krallen sind scharf“,
sagt sie.
Lazlo tippt Miro auf die Schulter.
„Jetzt du.“
„Ich bin doch nicht wahnsinnig. Ihr habt ihn
aufgeweckt.“
„Dann musst du eben vorsichtig sein.“
„Was wollt ihr wissen?“ Miro hat fürchterliche
Angst. Aber er kann jetzt unmöglich kneifen.
„Welche Farbe haben seine Augen?“ meint Sven.
„Du spinnst!“, sagt Lotte. „Nechard schläft
doch, dazu müsste Miro ihm die Augenlider hochziehen!“
„Versuchs doch selber“, sagt Lazlo zu Sven.
Miro denkt fieberhaft nach. Ihn interessiert am
meisten, ob man auf dem Drachen reiten kann. Und natürlich: ob man auf ihm
fliegen kann.
Er zieht seine Schuhe aus.
„Was hast du vor?“ flüstert Lotte.
„Hej, jetzt bin ich gespannt“, sagt Sven.
„Pass auf, wenn er Feuer spuckt, dann läufst du
nicht zu uns zurück, sondern nach vorn ins Lagerhaus. Wir werden ihn von dir
ablenken und großen Krach machen. Wartet mal.“ Lazlo rennt davon und holt Eimer
und abgebrochene Stuhlbeine.
Nun schläft Nechard wieder ganz friedlich.
Manchmal zuckt er, als ob er träumt.
Miro schleicht los. Er vermeidet die Pfützen,
um keine nassen Füße zu bekommen. Drachen können ja die Temperatur nicht
wechseln, hat er mal gehört. Egal wie warm oder kalt es draußen ist, sie sind
immer gleich warm. Also müssen sie ins Wasser, um sich abzukühlen oder Feuer
spucken, um sich aufzuwärmen oder so ähnlich. Auf jeden Fall will Miro Nechard
nicht mit seinen kalten Füßen erschrecken. So wie seine Mutter immer
zusammenzuckt, wenn er nachts in ihr Bett kriecht. Von dem Weg vom Kinderzimmer
ins Schlafzimmer bekommt er immer kalte Füße. Seine Mutter lässt ihn aber
dennoch unter ihre Decke und er darf seine Füße an ihren wärmen. Vielleicht war
der Drache auch so nett.
Miro geht an dem Tier entlang. Er braucht elf
Schritte, um die ganze Länge abzugehen und noch viel mehr, um um den Drachen
herum zu gehen.
Lotte winkt ihm zu, er solle zurückkommen. Sven
starrt, Fabian schiebt die Faust in den Mund. Lazlo steht mit einem Holzknüppel
und einem Eimer bereit.
Nechard öffnet die Augen und die Pupillen
bewegen sich ganz langsam zu Miro. Dabei legt er sich noch flacher auf den
Boden. Sein ganzer Bauch versinkt im Boden. Ein Bein winkelt der Drache an.
Miro findet, das schaue aus wie eine Treppe und fühle sich wie eine Einladung
an. Also klettert er auf den Rücken, sucht sich einen Platz zwischen zwei
Höckern. Drachen haben nämlich eine Reihe von kleinen Höckern den ganzen Rücken
entlang. Miro findet eine bequeme Kuhle, eine die genauso so groß ist wie er.
Sven, Lazlo, Fabian und Lotte stehen steif und
regungslos und schauen ihm zu. Miro sitzt auch steif. Er wagt es nicht, sich zu
bewegen. Er wundert sich. Er ist so hoch und stolz und die Sonne kommt zwischen
Wolken hervor und strahlt auf sein Gesicht. Wie ein König. Wie ein König der
Lüfte.
...
Danke, liebe Annette, fürs Veröffentlichen!
AntwortenLöschenUnd ich bedanke mich für die Leseprobe. Ich freue mich immer, wenn ich hier gute Bücher vorstellen darf.
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