Eines Tages begegnet Nico auf dem
Schulhof einem Jungen, den er noch nie zuvor dort gesehen hat. Er heißt Walter,
und es stellt sich heraus, dass er vor ungefähr fünfzig Jahren lebte. Nico
freundet sich rasch mit ihm an. Walter kann viele nützliche Dinge, zum Beispiel
schweben, durch Türen und Wände gehen und ihm unbemerkt die Lösungen von
Matheaufgaben vorsagen.
An Mut fehlt es den beiden nicht.
Das zeigt sich, als sie zwei Rowdys beschatten, die sie verdächtigen, nachts die
Schule verwüstet zu haben. Offenbar planen sie nun, das ganze Gebäude in Brand
zu setzen. Mit allen Mitteln versuchen Nico und Walter, dies zu
verhindern.
Bleibt auch noch die Frage, wieso
nur Nico Walter sehen und hören kann und sonst niemand. Welches geheimnisvolle
Band besteht zwischen ihnen? Ist es nur ihre Begeisterung für Musik oder steckt
noch mehr dahinter?
„Spuk, Musik und Kriminelle“ ist
eine spannende, witzige und zugleich bewegende Geschichte für Kinder ab 6
Jahren. Erhältlich bei Amazon.
Leseprobe:
Kapitel
1
Kleidung und
Klavierspielen
In der ersten großen Pause saß
Nico Holten etwas abseits auf der kalten Metallstange des Geländers, das den
Schulhof der Kopernikus-Schule vom Parkplatz trennte. Es war ungemütlich kühl
und die Luft schien nur aus winzigen Tröpfchen zu bestehen. Er zog den
Reißverschluss des Anoraks hoch.
„He!“ Sein Freund Bastian lief
an ihm vorbei. „Komm, spiel mit!“
„Nee, ich guck lieber zu.“ Nico
machte sich nichts aus Fußball.
Er schaute zur Seite. Jemand
hatte sich neben ihn gesetzt. Diesen Jungen hatte er noch nie hier gesehen. Auf
den ersten Blick konnte man meinen, er wäre sein Bruder: Er hatte dieselben
dunklen Haare, braune Augen und auch ein Grübchen im Kinn.
Aber er war sehr merkwürdig
angezogen: Seine braune Kordhose schlotterte, sein dunkelgrüner Pullover, der
selbstgestrickt aussah, war ebenfalls viel zu weit. Die Füße des Jungen steckten
in dicken, wollenen Strümpfen und halbhohen Schuhen, die vorn ganz abgestoßen
waren. Einen Anorak oder eine warme Jacke trug er nicht.
Nico blickte auf seine neuen
Turnschuhe. Klasse sahen die aus! Auch seine Jeans waren brandneu. „Das kann
doch nicht wahr sein, dass du schon wieder was zum Anziehen brauchst!“, hatte
seine Mutter gestöhnt. Nico wuchs nämlich sehr schnell, und deshalb musste sie
ihm andauernd neue Sachen kaufen.
Er schielte wieder zu dem Jungen
hinüber. Der war sehr blass, er sah beinahe … Wie könnte man es beschreiben? Nico überlegte.
Ja, das war das richtige Wort: Er sah beinahe durchsichtig aus. Ob er krank war?
„Ist dir nicht kalt?“, fragte
er.
Der fremde Junge schüttelte den
Kopf. Nico fiel noch etwas Seltsames auf. Obwohl die Luft feucht war, sahen die
Haare des Jungen und seine Kleidung trocken aus.
„Bist du neu hier?“, fragte er
weiter.
Wieder schüttelte der Junge den
Kopf.
„Kannst du eigentlich
sprechen?“, wollte Nico gerade hinzufügen. Da sagte der andere: „Ich bin schon
lange hier.“
„Und wie kommt es, dass ich dich
noch nie gesehen habe?“
Der Junge zuckte die Achseln und
sprang vom Geländer.
Nico tat es ihm nach. Sie waren
beide ungefähr gleich groß. „Warte!“, rief er. „Lauf nicht weg! Wie heißt
du?“
„Walter.“
„Und in welcher Klasse bist
du?“
„In der 6 b.“
„Ich bin in der 5 a.“
Irgendwie machte dieser Walter
Nico neugierig. „Was ist dein Lieblingsfach?“, erkundigte er sich.
„Rechnen.“
„Du meinst Mathe.“
„Ich meine Rechnen“, wiederholte
Walter. „Und deins?“
„Musik.“
„Singen mochte ich auch. Und
Klavierspielen.“
„Oooh“, sagte Nico sehnsüchtig.
„Du kannst Klavier spielen?“
„Hm.“
„Hast du es gut! Ich hätte so
gern Klavierstunden.“
„Und warum hast du
keine?“
„Es ist zu teuer.“
„Mein Vater hatte ein Klavier“,
erzählte der Junge. „Darauf durften mein Bruder und ich spielen. Mein Bruder
hatte keine große Lust. Aber ich! Ich habe jeden Tag geübt.“
„Du sagst, du hast geübt. Hast
du aufgehört mit dem Klavierspielen?“
Walter nickte.
„Ich würde nie aufhören“, sagte
Nico im Brustton der Überzeugung. „Mein Opa hat übrigens auch ein Klavier“,
erzählte er weiter. „Aber darauf kann ich nicht üben. Meine Großeltern wohnen zu
weit weg.“
Es klingelte.
„Ich muss los zur Turnhalle“,
rief Nico. „Treffen wir uns in der nächsten Pause wieder?“
„Vielleicht.“
Von hinten kam Lukas angerannt.
Für einen Augenblick schien es, als würde er Walter anrempeln. Aber der verzog
keine Miene und auch Lukas tat so, als wäre nichts gewesen.
„Beeil dich, Nico“, rief er.
„Sonst wird der Sommerfeld wieder sauer.“
„Ich komme.“ Er wandte sich zu
Walter um. „Der Sommerfeld kann es nicht leiden, wenn man …“ Das Wort blieb ihm
im Halse stecken, denn der Junge war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt!
„Was wolltest du sagen? Wenn man
...?“ Verwirrt schaute Lukas ihn an.
„Wenn man was?“ Nico war genauso
verwirrt. Dann fiel bei ihm der Groschen. „Wenn man zu spät kommt“, beendete er
den Satz.(...)
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