Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren

Dienstag, 15. Oktober 2013

Der Roboter Archimedes und die Rasselbande von Wilhelm Ruprecht Frieling


Wie ein Roboter um ein Haar zur Blechdose zerstampft wurde und dennoch sein Glück fand.
Der Roboter Archimedes flieht, weil er verschrottet werden soll.  Auf seiner Flucht gelangt er in den kleinen
Ort Irgendwo. Dort gewinnt er neue Freunde - vor allem unter den Kindern - und findet schließlich das
Glück.
Eine Erzählung für Kinder ab sechs Jahren mit Illustrationen von Anna Käse.
Erhältlich bei amazon

 
 
EIN ROBOTER IM WALD

Der dunkle Wald war so dicht, dass kaum Sonnenstrahlen durch sein Blätterkleid drangen. Seit
Urzeiten wucherten hier Bäume, Sträucher und Pflanzen, kein Mensch hatte je den Wildwuchs
gerodet. Es war ein Paradies für Waldbewohner: Moosmännlein, Blumenelfen, Maulwürfe, Frösche,
Grillen und Ameisen fühlten sich wohl und freuten sich ihres Lebens.
In diesem Dickicht lebte unter einem Haufen von braunen Blättern, grünem Moos und schwarzen
Ästen ein Roboter. Sein Name lautete Archimedes. Er hatte sich in den Schutz der hohen
Tannen geflüchtet, weil man ihn verschrotten wollte. »Du bist alt, du bist dumm, du bist schon
ein wenig verrückt!«, hatten seine Besitzer erklärt.
Archimedes hatte alle ihm anvertrauten Jobs stets zuverlässig und gewissenhaft verrichtet. Er
war auf Gartenpflege spezialisiert, grub Felder um, pflanzte Blumen, pflegte Bäume und Sträucher.
Als Gartenroboter erledigte er all die Pflichten, denen viele Menschen nur ungern nachgehen.
Liebevoll mähte er Rasen und beschnitt Gehölze. Er kümmerte sich um frischen Kompost,
reinigte verkrautete Wege und verstopfte Wasserläufe, erntete knackiges Obst und junges Gemüse.
Weit und breit gab es keine gepflegtere Gartenanlage als die von Archimedes.
Der Roboter kannte den Wert seiner Arbeit. Die Besucher lobten ihn häufig, während Kinder auf
den Rasenflächen spielten. Er saß währenddessen vor einer Laube auf einer Steinbank und freute
sich. Immer prächtiger sollten die von ihm betreuten Anlagen werden, träumte der fleißige Gärtner.
Archimedes war ein Roboter vom alten Schlag: Zuverlässig wie ein Traktor zog er Tag und
Nacht seine Bahnen. Er brauchte weder technischen Schnickschnack noch Designoberflächen
noch Ultraspeedplatinen. Er war schlicht konstruiert, doch dafür unverwüstlich.
Eines Tages setzten die Menschen jedoch einen Roboter aus einer aktuelleren Baureihe an seinen
Platz. Der besaß hochmoderne High-Speed-Anschlüsse, trug ein Farbdisplay auf der Brust und
verstand mehrere Sprachen. Außerdem machte der Neue bei der Gartenarbeit weniger Geräusche.
Archimedes hatte ausgedient; er sollte diesem Schnösel weichen und kurzerhand auf den
Müll geworfen werden.
Der Gartenroboter reagierte fassungslos. Alle waren doch stets mit seiner Arbeit zufrieden gewesen,
er schuftete schließlich für zwei. Und nun? Jetzt rollte ein Lastwagen heran, und ein kräftiger
Kran hob ihn ohne viel Federlesen auf die Ladefläche. Der Laster fuhr zu einer Müllhalde.
Dort sollte der treue Gärtner entsorgt und zu einem Schrotthaufen zerquetscht werden.
Dicke glänzende Öltropfen kullerten über die Metallhaut des Roboters. Man wollte ihn zum Alteisen
werfen! Archimedes wusste nicht, ob er aus Empörung oder Trauer weinen musste. Er war
jedenfalls am Boden zerstört.
Niedergeschlagen hingen seine Antennenohren zu Boden. Sein sonst immer fröhliches Gesicht
verwandelte sich innerhalb weniger Stunden in eine trübgraue Maske. Er fühlte sich schrecklich
einsam und alleingelassen. Wollte ihn denn niemand haben?
Resigniert beobachtete Archimedes, was mit den anderen ausgedienten Maschinenmenschen auf
dem Schrottplatz geschah: Einer nach dem anderen verschwand in einer riesigen Presse und
wurde zu einem Bündel Blech zerquetscht. Archimedes hatte Angst: Gab es keine Hoffnung
mehr für ihn?
Er mochte nicht zusehen, wie seine Leidensgenossen unter der Walze verschwanden. Das Kreischen
und Krachen der Schrottpresse versetzte ihn in Panik. Als die Nacht hereinbrach, stand
sein Entschluss fest: Er wollte auf keinen Fall zerquetscht werden. Er würde davonlaufen und
sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen.
 
 

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