Klappentext:
Leseprobe:
Vorsichtig streckte Papa Eichhorn seine Nase aus dem Kobel –
so nennt man das Zuhause der Eichhörnchen. Er schnupperte in die
spätsommerliche Luft. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Das grüne Kleid der
Bäume verfärbte sich von Tag zu Tag mehr in eine bunte Blätterpracht. Nun zog
der Herbst in Wald und Flur ein. Die Landschaft bereitete sich auf die kommende
kalte Jahreszeit vor. Auch die Tiere spürten die Veränderung in der Natur.
»Kinder, es wird Zeit, dass wir für unsere Vorräte sorgen, bevor
der Winter kommt«, rief das Eichhörnchen seinen Sprösslingen zu, die ungeduldig
unter dem Baum warteten. Kopfüber kletterte es am Stamm hinunter.
Um die Wartezeit zu verkürzen, balgten sich Flups und Flaps wegen
einer Haselnuss. »Gib sofort die Nuss her. Ich habe sie zuerst gesehen!«,
kreischte Flups. Sie krallte sich am buschigen Schwanz ihres Bruders fest.
»Das ist nicht wahr! Ich habe sie gefunden«, schrie Flaps.
Gleichzeitig versuchte er sich loszumachen, indem er sich mehrmals blitzartig
um die eigene Achse drehte.
Flups vermochte sich nicht mehr festzuhalten. Schwuppdiwupp flog
sie in hohem Bogen über seinen Kopf hinweg und sauste durch die Luft. Genau
dreimal schlug sie einen Purzelbaum.
»Das ist ja abgefahren! Ein dreifacher Salto!«, tönte Flaps. Er klatschte
begeistert in die Pfoten.
Seine Schwester fand das nicht so toll, denn sie landete zu Füßen
des verdutzten Herrn Eichhorns. Dort harrte sie geduldig auf die Strafpredigt
der Eltern, während sie schuldbewusst am Boden liegen blieb. Ihr weißes Fell stand
wirr vom Körper ab.
Weiß? – Moment mal!
Normalerweise sind Eichhörnchen in unserer Region nicht weiß,
sondern ihr Fell glänzt in einem satten rotbraunen Farbton. Einige sind grau
oder schwarz, andere wiederum haben hübsche Streifen auf dem Rücken. Nur auf
dem Bauch befindet sich ein weißer Fleck. Allerdings nicht bei Flups, sie sah
einfach anders aus. Ihr Fell war rundum schneeweiß.
»Jetzt ist es aber genug«, schimpfte die Mutter der beiden, »wir
haben keine Zeit für eure Streitigkeiten. Wir müssen uns sputen, damit wir
genügend Bucheckern und Fichtenzapfen für die kargen Wintermonate sammeln. Eine
Pfote voll Beeren zum Nachtisch wäre ebenfalls nicht schlecht.« Genüsslich fuhr
sie sich mit der Zunge über das Schnäuzchen,
als sie an die reichlichen Leckereien dachte, die im Herbst
einfach von den Bäumen und Sträuchern niederfielen wie im Schlaraffenland.
Die Hörnchenfamilie machte sich unverzüglich an die Arbeit. Sie
flitzten in verschiedene Himmelsrichtungen davon und suchten nach brauchbaren
Nahrungsmitteln. Zwischendurch brachten sie die Ausbeute in ein Erdloch, das
als Lager für die Wintervorräte diente.
»Wo ist eigentlich Flups?«, fragte Frau Eichhorn. Sie lief emsig
in der Speisekammer von einer Seite zur anderen. Gewissenhaft sortierte sie das
Futter, um zusätzlichen Platz zu schaffen. Jede einzelne Schalenfruchtsorte
legte sie an die dafür vorgesehene Stelle. Anschließend betrachtete sie
zufrieden das Werk. Vor ihr türmten sich Haselnüsse, Walnüsse, Bucheckern sowie
Eicheln zu beachtlichen Haufen auf. Beim Anblick der abwechslungsreichen
Nahrung lief ihr das Wasser im Mund zusammen. »Wenn das so weitergeht, brauchen
wir mehrere Vorratsräume«, überlegte sie bei sich.
»Ich
habe Flups nicht gesehen«, brummte ihr Gatte, der schwer atmend einen wuchtigen
Tannenzapfen zum Rand der Höhle schleppte. Vollkommen außer Puste ließ Herr
Eichhorn die schuppige Zapfenfrucht hineinplumpsen. Mit seinem feinen
Geruchssinn prägte er sich
den
Ort des Verstecks sorgfältig ein.
Frau
Eichhorn blickte erschrocken zu ihrem Mann empor. Voller Sorge rief sie nach
Flaps: »Hast du deine Schwester irgendwo gesehen?«
»Nö,
ich dachte, sie wäre bei euch«, erwiderte Flaps leichthin.
Papa
Eichhorn zuckte ratlos mit den Schultern. Daraufhin verkündete Mama Eichhorn
resolut, dass alle die Nahrungssuche unterbrechen müssen, um erst einmal das
verschwundene Familienmitglied aufzuspüren. »Flaps, du schaust am Waldrand
nach. Papa und ich durchstöbern das Feld nach ihr.«
»Muss
das sein?«, fragte Flaps. Er hatte genau genommen gar keine Lust, nach seiner
kleinen Schwester zu suchen.
Der
schlaksige Eichhornjunge befand sich gerade in einer schwierigen Phase seines
Lebens. Auf dem Kopf trug er eine knallrote Irokesenfrisur, die wie eine Bürste
aussah. An seinem linken Ohr blinkte ein goldener Ring. Das fanden seine
Freunde im Gegensatz zu seinen Eltern ziemlich cool und Flups hatte gemeint:
›Wenn ich mal groß bin, lass’ ich mir auch Löcher für Ohrringel stechen.‹
Außerdem war er zum ersten Mal verliebt und nach der Futtersuche mit seiner
Angebeteten, einem entzückenden Streifenhörnchen verabredet. Aber es half
nichts, wenn ihn Mama Eichhorns strenger Blick traf, war es besser auf sie zu
hören. »Ich geh’ ja schon!«, maulte er. Widerwillig begab er sich auf die Suche
nach der Vermissten.
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