Leseproben für kleine Schmökerratten
- Kinderbücher von Indie-Autoren

Dienstag, 7. April 2015

Lillys Suche nach dem Frühling von Felizitas Montforts

Über das Buch:
Lilly hat eine besondere Gabe. Die Ohren der Elfe jucken, sobald der Frühling Einzug hält. In diesem Jahr wartet sie aber vergeblich. Der Frühling wird vom Winter gefangen gehalten und nur Lilly kann ihn befreien. Gemeinsam mit einem alten Dachs macht sie sich auf die Suche. Ob Lilly den Frühling retten kann?
Eine Geschichte für Kinder ab 7 Jahre mit Illustrationen von Lydia Pollakowski.
Erhältlich in den meisten eBook Shops und bei Amazon, Thalia, Weltbild, Hugendubel, Bücher.de.

Leseprobe: 
 
»Wo ist bloß der Frühling?«, fragte sich Lilly und starrte nach draußen in das leichte Schneegestöber. Ihr bot sich derselbe Anblick wie bereits seit Wochen. Ein verschneiter Wald. Die Äste der Bäume bogen sich unter der Last des Schnees und von Zeit zu Zeit hörte man Holz brechen, das dem Gewicht nicht mehr standhielt.
Lillys Nase fühlte sich kalt an, vom Plattdrücken an der Fensterscheibe. Wie sehr sie sich auch bemühte, die junge Elfe konnte keinen Frühlingsboten entdecken. Nirgendwo war eine Blütenknospe zu erspähen, noch der kleinste Grashalm. Die Pflanzen schliefen fest unter einer dicken, weißen Schneedecke.
Müde rieb sich Lilly die Augen und wuselte mit den Fingern durch ihr langes, lockiges Haar. Dieses Jahr schien der Winter kein Ende nehmen zu wollen, hier herumzustehen und den Schnee anzustarren, würde den Frühling aber auch nicht früher herbeilocken. Traurig wandte sie sich vom Fenster ab. Wie sie die Kälte verabscheute. Der Winter war eisig, nass und beraubte die Welt ihrer Farben. Ständig hatte jemand Schnupfen, und es wollte einem einfach nicht richtig warm werden. Warum musste es einen Winter geben? Sie liebte die Wärme und die Pracht der blühenden Natur. Anstatt hinauszugehen und wie andere Kinder im Schnee zu spielen, vergrub Lilly sich viel lieber in ihrem Zimmer. Hier wartete sie jedes Jahr auf die ersten Sonnenstrahlen des kommenden Frühlings. Noch nie hatte sie so lange gewartet wie in diesem Jahr.

Im Wohnzimmer ihrer Wurzelhütte, die sie mit ihren Eltern und einem alten, weisen Dachs bewohnte, wartete ein warmes, prasselndes Feuer auf die Elfe. Die Flammen warfen zuckende Bilder an die Wände und tauchten den Raum in ein gemütliches, gelboranges Licht. Hier konnte man es während der kalten Tage aushalten. Die Familie kam zusammen und gemeinsam verging die Zeit viel schneller. Heute war nur Großvater Dachs da, der wie immer zusammengerollt vor dem Kamin lag. Die Wärme tat seinen alten, schmerzenden Knochen gut. An Tagen wie diesem, an denen der Schnee noch undurchdringlicher erschien, bewegte er sich keinen Schritt von seinem Schlafplatz weg.
Leise setzte sich Lilly neben den Dachs auf den Fußboden. Behutsam streichelte sie sein drahtiges, grau gewordenes Fell. Ein zufriedenes Grunzen und das leichte Zucken der Pfoten zeigten ihr, wie sehr er diese Streicheleinheit genoss.
»Na, meine Liebe, jucken dir endlich die Ohren?« Schmatzend und sich lang streckend öffnete Großvater Dachs die Augenlider.
Lilly, die dieses alte Tier seit ihrer Geburt kannte, griff nach einem Krug voll Tauwasser und goss dem Dachs davon ein. Gierig trank dieser aus seiner Schale und blickte die Elfe dann mit seinen dunklen Augen dankbar an.
»Ich wünschte, ich könnte den Frühling herbeisehen. Dann wäre der Winter längst vorbei. Ich befürchte, dass ich es verlernt habe, den Frühling zu spüren. Meine Ohren jucken kein bisschen.« Dieses Phänomen trieb Lilly die letzten Jahre fast in den Wahnsinn. Erst leicht und dann immer stärker begannen ihre Ohren zu jucken. Erst nur die kleinen Spitzen, dann setzte sich das Kribbeln und Krabbeln fort, bis das ganze Ohr nur so juckte. Fast so, als wäre einem das Bein eingeschlafen. So erklärte es zumindest Lilly, wenn man sie fragte. In den letzten Jahren war immer kurz darauf der Frühling eingekehrt. Doch nicht so dieses Jahr. Diesen Winter wartete sie vergeblich auf das Jucken.
»Sie werden noch jucken, wenn es an der Zeit ist. Bis dahin genieße den Schnee, der Winter kann so schön sein. Du musst ihm nur eine Chance geben, dir diese Schönheit zu zeigen.«
Angewidert verzog Lilly ihren Mund. »Nein, ich glaube, das lass ich lieber.«
Vorübergehend sprach keiner der beiden ein Wort. Lilly träumte von einer sonnenbeschienenen Frühlingswiese, auf der sie endlich nach Herzenslust toben konnte. Großvater Dachs fiel währenddessen eine alte Geschichte ein, die er vor langer Zeit gehört hatte.
»Vielleicht hat der Winter den Frühling gefangen. Versucht hat er es bereits das ein oder andere Mal.«
Aus ihrer Träumerei gerissen, fragte Lilly: »Der Winter hat was getan?«
»Den Frühling gefangen. Kennst du denn nicht die Geschichte vom ewigen Kampf zwischen Winter und Frühling?«
Lilly schüttelte den Kopf. Nein, die kannte sie nicht.

»Einst, lange bevor du oder ich geboren wurden, gab es nur den Winter. Er herrschte mit eisiger Hand über die Welt. Die Kälte vertrieb alles Leben und es wurde immer kahler und trostloser. Eines Tages tauchte der Frühling auf. Woher er kam, ist nicht bekannt. Vielleicht gab es ihn schon immer. Ich glaube, dass er aus den verzweifelten Wünschen der Lebewesen entstand. Denn, du musst wissen, Wünsche können magisch sein, und wenn man etwas nur stark genug wünscht, kann es wahr werden. In der Wärme des Frühlings lebte die Natur auf und alle Lebewesen versammelten sich, um dem Winter zu trotzen. Ein langeanhaltender Machtkampf brach aus, der erst beendet wurde, als der Sommer und der Herbst zwischen Frühling und Winter vermittelten. Sie schlossen ein Bündnis. Jede der vier Jahreszeiten sollte gleichlang über die Erde herrschen. Jedes Jahr war die Freude groß, als nach dem Winter der Frühling einen Neuanfang brachte. Die Natur und ihre Bewohner lebten auf, alles grünte und blühte. Der Sommer brachte darauf hin Nahrung aber auch Hitze im Überfluss. Keiner musste sich um sein Überleben sorgen. Aber auch die Hitze kann einem zu viel werden, sie kann verbrennen und die Bäche und Flüsse austrocknen. Darum gibt es den Herbst. Er mildert die Hitze des Sommers und bereitet alles Leben, ob nun Tiere, Pflanzen oder kleine Elfen, auf das Ende des Jahres vor. Wenn das letzte bunte Blatt gefallen ist und der letzte Apfel geerntet wurde, kehrt der Winter zurück und bedeckt die Welt mit einer schützenden Decke aus Schnee, damit sie schlafen kann, um im Frühling von neuem zu erwachen. Es gab ein Gleichgewicht zwischen Wärme und Kälte, durch die alles Leben aufblühte. Unzufrieden mit der ihm zugestandenen Zeit, wollte der Winter länger seine Macht ausüben. Jedes Jahr aufs Neue versuchte er dem Frühling Tage zu stehlen, in dem er ihn in einem Gefängnis aus Eis und Schnee gefangen hielt. Vielleicht ist es ihm dieses Jahr erneut gelungen, was meinst du?«
Nachdenklich starrte Lilly ins Feuer. Hielt der Winter den Frühling gefangen? War das möglich? Wie sollte sie ihn finden und befreien? So viele Fragen brannten ihr auf der Zunge, die sie dem Dachs noch stellen wollte. Das leise Schnarchen und das regelmäßige Zucken der Schnurrhaare verrieten ihr aber, dass dieser erneut eingeschlafen war.
»Ach was, bestimmt ist das nur eine Geschichte gewesen«, machte sich die Elfe Mut. Überzeugt war sie aber nicht.

Copyright by Lydia Pollakowski




Über die Autorin:
Felizitas Montforts wurde im Februar 1983 geboren. Als Kind entdeckte sie zeitgleich ihre Begeisterung für das Lesen wie auch für das Schreiben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren Zwillingen und einer sehr anhänglichen Katze in Viersen am Niederrhein. In ihrer Freizeit widmet sie sich dem Schreiben und ihrem Food-Blog.
Weitere Informationen finden Sie auf Facebook, Google, Twitter und ihrer Autorenseite.



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